Baubeginn am Letterhausweg

Seit mehreren Jahren schon kämpfen die Bewohner von Charlottenburg-Nord gegen die wundersam genehmigte „Nachverdichtung“, genauer — massiv störenden Eingriff ins Denkmalbereich der Siedlung. Man plant, die alte Vermittlungsstelle am Letterhausweg, direkt vor den Fenstern Scharouns, mit einem gesichtslosen Wohnriegel zu ersetzen, und begründet es mit der gegenüber den 50er Jahren erheblich vergrößerten Tankstelle: ist der Ort schon ruiniert… Wir berichteten.

Eine Beteiligung der betroffenen Bewohner und Eigentümer fand nie statt.

Gleich zu Beginn des Jahres 2023 rollten die Bagger an.

Die Nachbarschaft wendet sich nun erneut an die Ämter, Parteien, Presse und Vereine — und die Gerichte. Ein Rechtsschutzantrag ist Ende 2022 beim Verwaltungsgericht Berlin gestellt worden.

Frevel an einem Juwel

Im „Spandauer Volksblatt“ und in der „Berliner Woche“ geht Thomas Frey aus aktuellem Anlaß auf die Geschichte des Hauses Baensch und der Person Dr. Felix Baensch ein. Erfrischend neue und interessante Fragestellungen — leider auch mit einigen Fehlern.

Es stimmt zweifelsohne, daß Scharouns „Idee eines organischen Bauens“ bei den Nazis mehr als „verpönte Stilrichtung“ war — doch Ämter konnte Scharoun nicht verlieren. Einfach weil er keine hatte.
Es stimmt sicherlich auch, daß Hans Scharoun nach 1933 keine „amtlichen Aufträge“ — (teil-)öffentliche aber sehr wohl. Da wären z.B.:

„Einige private Bauvorhaben“ füllen auch ganze Listen:

Nicht alle haben es zur Verwirklichung gebracht, doch gegeben hat es sie: 24 Einträge in der ersten Liste und 26 in der zweiten. Summarisch 50 öffentliche und private Bauvorhaben, von denen einige mehrere Häuser umfaßten, Siedlungen und ganze Stadtteile — in 12 dunklen Jahren. Andere Aufträge, Gespräche und freies Zeichnen nicht mitberechnet.

Auch unserem Herrn Suchin ist beim Gespräch ein Fehler unterlaufen: der Verfasser des ursprünglichen Entwurfes für Felix Baensch ist doch überliefert: Hermann Henselmann soll es gewesen sein, der zur selben Zeit nebenan am Höhenweg 10 ein weiteres Bungalow errichtete. Wie die beiden einander bei den Baustellenbesuchen wohl begegnet sind?..

Ein weiteres Korrektiv ist sicherheitshalber geboten: gegen Museen haben wir nichts einzuwenden. Einige kulturgeschichtlich bedeutsame Bauten haben darin ihre zweite Verwirklichung, ja ihre Rettung und Wiederauferstehung gefunden. Wir hoffen, am Haus Baensch nicht zu solchen Radikalschritten greifen zu müssen.

Ärger um bedeutendes Baudenkmal in Spandau

Molla Nasreddin hatte einmal über ein Streit unter Hausfrauen zu richten: Die eine wollte der anderen einen guten Kessel geliehen haben — zurück kam eins mit Sprung. Die andere wollte nie von einem Kessel gehört zu haben, bei der Rückgabe war er wie neu, und außerdem war da immer schon ein Riß daran.

Im Beitrag der Berliner Morgenpost nimmt die Eigentümerin des Hauses Baensch erstmals zu Wort. Und bestreitet, ohne Genehmigung gebaut oder Haus und Garten Schaden zugefügt zu haben.

2011 übernahm man das Haus.
2014 hatte man eine Genehmigung für eine neue Garage, größer und tiefer als die alte, und einen neuen zweigeschossigen Flügel darauf („das einzige Zimmer im Haus [sei] für heutige Gewohnheiten eher klein“) — stets betonend, wie pflegend man mit dem Kernhaus umzugehen gedenke. Das Wohn- und Eßzimmer im Hause mißt mickrige 108 m2, die Schlafzimmer 23 und 21 m2. Ein Koch- und Eßzimmer von 78 m2 und ein weiteres Schlafzimmer samt Nebenräumen von 74 m2 müßten her (SG).
2018 wuchs der Anbauwunsch bereits auf drei Geschosse.
2020 wurde der Nachtrag zur Baugenehmigung erstmals negativ beschieden: man wollte dem Scharoun-Haus aufs Dach (SG).

Mit dieser Absage und ohne je „einen denkmalrechtlichen Antrag zu Umbau oder Sanierung des denkmalgeschützten Scharoun-Baus und des Gartens“ eingereicht zu haben, schritt man zur Tat. Hob die Baugrube auf, beseitigte die Terrasse, die Treppe und die Wege, türmte Sand auf Mattern-Förster´sche Aussat…
Bei einer Ortsbegegung des Denkmalamtes und des Bauamtes wurde festgestellt, „daß nicht nur mit dem Neubau [bereits] begonnen wurde, sondern daß auch [der] Keller des geschützten Wohnhauses weiträumig freigelegt worden sei“. So weit — so richtig. Allerdings war der Termin nicht etwa zwecks Genehmigung eines weiteren Nachtrages gewesen, sondern aufgrund von Appellen, hier ginge es nicht mit rechten Dingen zu.
Die Bauherrin meint jetzt, die Stahltreppe zum Zimmer der Damen legte man zum Schrottcontainer, „weil sonst ein Sicherheitsrisiko bestanden hätte“. Die abgebrochene Loggia war „von Hornissen und Holzwürmern befallen“ — „Diese beiden Dinge hätte sicher auch zur Restaurierung passieren müssen“. Für den Aushub schließlich wählte man eine Stelle, „wo nur vertrocknete Rasenreste waren und kein von Hammerbacher, Mattern oder Foerster angelegter Garten“.
Von der Richtigkeit der letzten Aussage überzeugt uns ein Grundstücksschema. Mit Rot sind Bereiche markiert, wo Bauen oder Lagern stattfand.

Es gab ein Baustopp, ein Bußgeld wurde tatsächlich verhängt und angeordnet, die Bauherren sollten ein Denkmalpflegeplan bestellen. Dem sagten sie zu — die Buße aussetzend. Doch statt des Pflegens bauten sie weiter, weiter und tiefer als in der Genehmigung – „nach einer Planung“, die nicht nur „bauaufsichtlich versagt worden war“, sondern nach einer, die dem Amt gar nicht vorlag!. Es gab einen zweiten Baustopp. Und als auch dies die Baulust nicht hemmte und zudem noch im Keller — weiterhin gefährlich entblößt — konstruktiv waghalsige Experimente stattfanden (im Beitrag mit „Baustopp … nicht eingehalten“ beschrieben), erst dann „wurde die Baustelle Ende Oktober durch die Bauaufsicht versiegelt“. Zuunrecht, so die Bauherren, denn diese seien „schon bei der letzten Begehung“ — als die unerlaubte Ausdehnung des Baus zum Baustopp führte — bereits „in diesem Zustand“ gewesen: „keiner wollte ihn sehen!“ Die Arbeiten haben man ansonsten „sofort eingestellt“ — wer habe nur an den Photos gedreht?

„Inzwischen habe sie den Nachtrag zur Baugenehmigung zurückgezogen und einen Architekten mit Erfahrung im Denkmalschutz mit dem Erstellen eines Denkmalpflegeplans beauftragt … Haus und Garten werden wiederhergestellt. Sie sei zuversichtlich, dass sich Fehler beheben lassen und im kommenden Jahr die Arbeiten wieder aufgenommen werden können,“ schließt der Beitrag von Jessica Hanack.

Uns ist der Fall weiterhin nicht abgeschlossen.

Zerstörung des Hauses Dr. Felix Baensch – Appell des Landesdenkmalrats Berlin

In der aktuellen Pressemitteilung wählt der Landesdenkmalrat Berlin entschiedene Worte: man spricht von „Empörung“, von der „mutwilligen Zerstörung“, von einem „Akt des Vandalismus“ an einer „raffinierten Grundrissanlage“ von einem der „weltweit innovativsten und gleichzeitig einfühlsamsten Privatbauten des 20. Jahrhunderts“ (wir verweisen hier auf die Wortwahl der Akademie der Künste).

„Der Landesdenkmalrat fordert die zuständigen Behörden mit Nachdruck auf, den bereits verhängten Baustopp durchzusetzen sowie eine Wiederherstellung des originalen Zustandes in die Wege zu leiten.“

Der Landesdenkmalrat ist ein Beratungsgremium beim Senator für Kulturangelegenheiten (Oberste Denkmalbehörde), das „bei allen Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung … anzuhören“ ist. Den Landesdenkmalrat Berlins bilden derzeit:

  • Dr.-Ing. Sylvia Butenschön, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Technische Universität Berlin
  • Dipl.-Ing. Christine Edmaier, Architektenkammer Berlin
  • Marcia Haldemann, schweizerisches Bundesamt für Kultur
  • Professor Dr. Michael Krautzberger, Ministerialdirektor a.D., Bundesbauministerium
  • Professor Elisabeth Merk, Stadtbaurätin München, Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung
  • Professor Dr. Matthias Noell, Architekturgeschichte und -theorie, Universität der Künste Berlin
  • Professor Dipl.-Ing. Frank Prietz, Bauingenieurskammer Berlin, Beuth-Hochschule Berlin
  • Dipl.-Ing. Jórunn Ragnarsdóttir, Architekten Lederer Ragnarsdóttir Oei
  • Erik Roßnagel, Terraplan Immobilien- und Treuhandgesellschaft
  • Professor Volker Staab, Staab Architekten
  • Professor Dr. rer.pol. Kristin Wellner, Planungs- und Bauökonomie, Technische Universität Berlin
  • Professor Thomas Will, Denkmalpflege und Entwerfen, Technische Universität Dresden


Ihnen gilt für diese Entschiedenheit unser Dank.

Ergänzt 12.12.2020: im Radioprogramm von RBBKultur bespricht Tomas Fitzel die Vorgänge am Haus mit Dr. M.Noell (Landesdenkmalrat), Dr. D.Nellessen (Denkmalamt Spandau), D.Suchin (Scharoun-Gesellschaft) und Anwohnern.

Adé, Gobert!

Bei der Begehung am 7.12.2020 fand der Photograph Andrej Nowoschilow nur noch Reste des Hauses Gobert in Sodehnen vor. Seine Unterschutzstellung mißlang uns 2018.