Konzerthaus des Philharmonischen Orchesters, Berlin
Fortsetzung des Wettbewerbsentwurfes 202: 1957-1959 für den Standort Bundesallee 1, ab 1959 für den Standort Matthäikirchstr. am Kemperplatz., Berlin-Tiergarten.
Teil des Kulturforums mit Museen für europäische Kunst, Staatsbibliothek (Werkverzeichnis 228, 236) und Kunstbibliothek, Künstlergästehaus (Werkverzeichnis 235), Kammermusiksaal (Werkverzeichnis 246) und Musikinstrumentenmuseum (Werkverzeichnis 247).
Parnerarchitekt Werner Weber, Projektleiter Edgar Wisniewski.
Landschafts- und Gartengestaltung von Hermann Mattern; Skulptur im Foyer von Bernhard Heiliger; Dachskulptur: Hans Uhlmann; Glasfenster: Alexander Camaro; Foyer-Fußboden: Günter Szymmank; Farbberatung: Lou Scheper-Berkenkamp. Im Foyer eine Büste von Hans Scharoun und ein Portät von ihm im Übergang zum Kammermusiksaal.
Fassadenbekleidung 1977-1978, von Edgar Wisniewski (mit Betonsanierung).
Im Dritten Reich war das Gelände am Kemperplatz für das Oberkommando des Heeres vorgesehen. Auf einem Teilgrundstück zur Tiergartenstraße wurde die „Aktion-T4“ geplant, an die auf der ehemaligen Buswendeschleife jetzt ein Denkmal erinnert (Ursula Wilms, Nikolaus Koliusis, Heinz W. Hallmann).
Schwingende Saaldecke 1991-1992 gegen eine starre aber formgleiche Konstruktion ausgetauscht. In selber Zeit erfolgte auch die Asbestsanierung. 2003-2008 fügten die Kahlfeldt Architekten die Rollstuhlrampen, Foyertresen und einen kleineren Veranstaltungsraum in die Interieurs ein. 2009 kam es bei den Dacharbeiten zu einem spektakulären Brand, der ohne gravierende Schäden blieb.
Täglich um 13:30 werden Führungen durch das Gebäude angeboten. Treffpunkt und Kartenverkauf am Musikereingang.
(34) Kommentare zum Beitrag “Konzerthaus des Philharmonischen Orchesters, Berlin”
- Dimitri Suchin 19.06.2000 07:05
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Dimitri Suchin 21.06.2016 03:04
Die ursprünglich geplante Fassade des Großen Saales, das sogenannte „Narrenhemd“, inspirierte ein Schal vom Kamswyker Kreis.
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Der Spiegel 24.07.2016 08:40
Musik mit Wänden
„Der Konzertsaal war abgedunkelt. Nur auf das Podium fiel Tiefstrahlerlicht. Dort hob ein Mann einen Trommelrevolver. Aus dem Dunkel kommandierte eine Stimme: „Jetzt! Gleich alle fünf!“ Der Mann auf dem Podium richtete den Revolver gegen die Saaldecke und feuerte in schneller Folge fünf Schüsse ab.
Auf dem Podium, wo der Professor der Technischen Universität Berlin Lothar Cremer noch in der letzten Woche mit Hilfe von Revolverschüssen akustische Messungen vornehmen ließ, wird am Dienstag dieser Woche Herbert von Karajan den Taktstock heben, um Beethovens „Neunte“ zu dirigieren…“So schrieb „Der Spiegel“ zur Eröffnung der Philharmonie. Nachzulesen in Klartext und als PDF. Dieselbe Szene findet man auch in Günter Grass´ „Mein Jahrhundert“ – nur daß aus dem Mann auf dem Podium ein Mädchen wurde.
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Hermann Funke 24.07.2016 08:49
Zirkus Karajani in Berlin
„…Muß das denn so kompliziert sein?
Es muß nicht.
Kann man das nicht einfacher machen?
Man kann. Jedes Gebäude könnte auch anders sein.
Die Philharmonie aber ist von Scharoun: Einfachheit, wenn darunter Rechtwinkligkeit, Glätte, penible Konstruktion und technischer Glanz verstanden werden, ist nicht das, was er anstrebt.“ – so schrieb Hermann Funke in „Der Zeit“ zur Eröffnung. -
admin 24.07.2016 09:33
His Master´s Voice – Interview Sophie Lovell´ mit Edgar Wisniewski (auf Englisch)
Wisniewski mit Scharoun bei der Beleuchtungsprobe im Foyer der Philharmonie 1963 -
Denis Ouaillarbourou 24.07.2016 09:34
„…Called to build the concert hall of the Berlin Philharmonic, the most iconic German institution, and remained in the West, Hans Scharoun decides to tell a story.“ – eine Reisenotiz von Denis Ouaillarbourou (Französisch und Englisch).
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architectuul 24.07.2016 09:39
In der Filmreihe „Architects in Love“ sprechen Lena Kleinheinz und Martin Ostermann (magma architecture) 2003 von ihrer Sicht der Berliner Philharmonie.
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Darja Jurowskaja 24.07.2016 09:46
50 Jahre Berliner Philharmonie: Musikgeschichte als Landesgeschichte („50 лет берлинской филармонии: история музыки как история страны“)
Darja Jurowskaja schreibt einen Komplettumblick über die Philharmonie von ihrer Entstehung an – und selbst wer des Russischen nicht mächtig ist, kann vermittels der Bilder viel lernen.
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admin 22.08.2016 07:09
Edwin Heathcote fragt sich im „Financial Times“ angesichts des Neubaus in London, „warum die Konzertsäle denn immer so teuer sein müssen?“ — eine berechtigte Frage. Formspiele werden angeführt, Eigenstolz, aber auch daß die „Schuhkartons“ alter Prägung viele unzulängliche Sitze aufwiesen… Dann der Blick nach Berlin: die Philharmonie wird zitiert.
„…arguably the finest and most influential concert hall of the modern age, Hans Scharoun’s Berliner Philharmonie. Built in 1963, this was a truly radical building. A reaction to the symmetry and hierarchy of traditional concert halls, one-time expressionist architect Scharoun designed an egalitarian building that appeared as much like landscape as architecture. Still looking remarkably contemporary (look at that roof profile and compare it with the Elbphilharmonie) this was a deliberately anti-monumental building, a riposte to the Nazi obsession with classicism, symmetry and solidity.
Scharoun’s auditorium is itself broken into parts, its volume fragmented and made informal through a series of staggered terraces that create a topography around the stage. This is the musical version of theatre in the round in which there are no inferior seats. Accommodating 2,440, it proved a brilliant way of expanding the audience without compromising on closeness to the orchestra or acoustics.
This “vineyard style” became the default layout. Today, almost every major international venue, from Gehry’s Disney Concert Hall in Los Angeles via Nouvel’s Paris Philharmonie to Zaha Hadid’s Guangzhou Opera House is a variant of this design.“Was Herr Heathcote vergißt: die Philharmonie wurde ursprünglich auf 7 Millionen DM kalkuliert. Gebaut wurde sie für 13 Millionen. Nach den heutigen Werten wären es, je nach Umrechnungsart, 21-25 Millionen Euro.
Was die Preise heutiger Säle immer noch um 30 Mal unterschreitet. -
Anne-Sophie Mutter 01.01.2017 13:09
Aus der schweizer Zeitschrift „Du: die Zeitschrift der Kultur“, 2014-845
„…Die Philharmonie wurde zu meiner musikalischen Heimat. Es passierten dort so viele wunderbare Dinge, all die Aufnahmen, die Konzerte, das unvergleichliche Ensemble. Ich liebe auch das Berliner Publikum, ich erlebe es immer als sehr spontan. Deswegen spiele ich so oft in Berlin, vielleicht sogar zu oft. Es gibt ja viele Versuche, den Saal zu kopieren — die Disney Hall in Los Angeles wurde der Philharmonie nachempfunden —, aber in Berlin steht nun einmal das Original mit der einzigartigen Akustik. Der Saal ist untrennbar mit dem Orchester verbunden und wird immer mein Massstab bleiben, wo immer ich auch spiele.
Umgekehrt muss man fairerweise sagen, dass es für ein Orchester auch positiv sein kann, wenn der Saal eine katastrophale Akustik hat, wie es beispielsweise in der alten Concert Hall in Philadelphia war. Das Orchester dort ist weltberühmt für seinen besonders schönen, satten Streicherklang. Als ich vor einigen Jahrzehnten erstmalig dort spielte, war ich entsetzt über die dortige Akustik, das war trocken wie ein Opernhaus. Das Ensemble hat sich, um dagegen anzukämpfen, eine Spielästhetik zugelegt, die absolut ungeheuer ist. Nur: Macht es Spass, in so einem Sarkophag zu spielen? Nein, es ist ein grosses Geschenk für die Musiker wie für die Zuhörer gleichermassen, wenn man Musik in einer so perfekten Umgebung wie der Berliner Philharmonie erleben darf. Es gibt nichts zu verbessern — nicht einmal die Buletten backstage, die sind auch köstlich! Und wenn ich in Berlin bin, nehme ich manchmal den Seiteneingang, der ins Dirigentenvorzimmer führt, so wie Herr von Karajan das immer getan hat. Eine besondere Erinnerung, die ich mein Leben lang pflegen werde.“ -
Gisela Grönewald 26.02.2018 11:23
Sehr geehrte Damen und Herren!
Für ein Referat in der Schule über die Philharmonie Berlin wird von den Lehrern Grösse, Höhe und Länge der beschriebenen Gebäude erwünscht.
Könnten sie mit bitte mitteilen wie diese Angaben bei der Berliner Philharmonie sind?Mit freundlichen Grüssen,
Gisela Grönewald -
Dimitri Suchin 27.02.2018 05:34
Sehr geehrte Frau Grönewald,
Das Gebäude des Großen Saales – ich nehme an, Ihre Frage bezog sich auf diesen – ist mit seinen Anbauten für Garderoben, Foyers, Büros und Proberäume recht zerkluftet. Da ich annehme, daß Sie just diese, in der Literatur tatsächlich nicht vorkommenden Außenmaße interessieren, griff ich für Sie die Extremitäten ab: im Erdgeschoß, vom Vordach des Haupteinganges bis zur Hausmeisterwohnung, beträgt die größte Ausdehnung 121,5m. Rechtwinklig dazu beträgt ein Projektionsmaß von den Eckpunkten an der Bar am Musikinstrumentenmuseum und am Proberaum am Übergang zum Kammermusiksaal weitere 91,5m.
Die Höhe, gemessen von der Oberkante Fußboden Foyer bis zur Spitze des Daches, beläuft sich auf 35,25m.Ich hoffe, Ihnen dabei geholfen zu haben und wünsche Ihrem Referat viel Erfolg.
Mit organhaftem Gruß, D.B.Suchin -
Moritz Schimpf 28.09.2018 15:42
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich beschäftige mich schon länger mit den Berliner Philharmonikern und ihrer Historie.
Für eine Projektarbeit habe ich großes Interesse an der Entstehungsgeschichte des Fünfeck-Logos der Berliner Philharmoniker.
Haben Sie dazu in Ihrem Archiv vielleicht ein paar Detail-Informationen oder sogar Skizzen?
Das wäre sehr spannend für mich.
Ich bin für jeden Hinweis dankbar.Beste Grüße.
Moritz Schimpf
Büro für Markengestaltung
und Kommunikationsdesign -
Dimitri Suchin 30.09.2018 08:14
Sehr geehrter Herr Schimpf,
…in der Bauwelt, Heft 1-2 von 1964, (wird) das dreifache Pentagramm im Saal als ein Symbol der Einheit von Mensch-Raum-Musik beschrieben. (Edgar) Wisniewski wiederum sprach von der Dreiheit Körper-Seele-Geist eines Menschen im Saal. Dieser zweite Dreiklang – um die Jahrhundertwende verbreitet, die Werdenszeit Scharouns – erscheint im Zusammenhang mit dem Pentagramm schlüssiger: dem Pentagon wurde im symbollastigen Mittelalter eine besondere Bedeutung zugemessen – und auch jene Mittelalterromantik war in der Jugendzeit Scharouns Usus. Dombauhütten benutzten dieses Pentagramm im Glauben, es handele sich um eine Figur, die in der Natur nicht vorkomme. Eine Figur also, die belegt, ein Geschöpf sei selbst ein Schöpfer – eine wichtige Streitfrage damals. Folgen wir dieser Lesart, wird ein „tänzelndes“ Dreifach-Pentagramm zum Symbol für Körper, Seele und Geist eines schöpferischen Menschen. Wo die Philharmonie in sich ein Bau ist, welches zum Mitschwingen, zum Mitmachen geradezu auffordere, wo jeder Besucher sich den Saal gedanklich neu erschafft…
Mir ist nicht bekannt, daß Scharoun irgendwo eine bestimmte Lesart für diese Figur festsetzte.
In den Zeichnungen des 1956-Wettbewerbs fehlt sie. -
Prof. Dr. Martin Sperlich 05.04.2020 08:47
Die Sprecherin des Bausenators Peter Strieder, Frau Petra Reetz, fühlt sich anläßlich Scharouns Philharmonie an ein „Kreiskulturhaus in der Sowjetunion“ erinnert. Daraufhin sendet am 1.5.2002 Prof. Dr. Martin Sperlich, ehemals Direktor der Preußischen Schlösser und Gärten, der Scharoun-Gesellschaft ein Gedicht:
„Der Scharoun kommt niemals wieder!“
sagte der Senator Strieder
streng und mit SenaTorheit,
und politisch kampfbereit,
auch der Stimmann sagt es stets,
samt dem Plappermäulchen Reetz.Zwar für die Kultur ein Forum
braucht kein modisches Dekorum,
doch nun tut Senators Mund
Bürgern seine Weisheit kund:„Ich seh beim Anblick dieses Baus
sowjetisches Kulturkreishaus!“Da sollte man als Warnungszeichen
obengenannte Stellen streichen!(„Wem Gott ein Amt gibt, gibt ihm auch Verstand!“
Nicht immer viel und guten – wie bekannt.) -
Prof. Dr. Martin Sperlich 05.04.2020 08:53
Nachdem Prof. Dr. Martin Sperlich, ehemals Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten Berlin, die Kahlfeldt´schen Umbauten im Philharmonie-Foyer gesehen hat, schrieb er der Scharoun-Gesellschaft ein folgendes „Gedicht“. Er bat, Kopien an die Abgeordneten und Senatoren zu verteilen.
Martin Sperlich starb im Juni 2003.Zu den Umbauten In dern Foyer der Philharmonie:
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Musik
Alle leben jetzt auf Borg –
Sanssouci wird Ohnesorg, |
der macht die Musik noch schöner,
keine Stunde ohne Döner,
HÖREN, SEHEN, RIECHEN, SCHMECKEN
kann man nun in allen Ecken,
von den Sinnen fehlt hier nur
das Gefühl für die Kultur.
Stresemann und Karajan
sehen das verstimmant an
ganz von oben und geniert
weil das Denkmalamt pariert.Ohnesorg begreift sein Tun:
„Ich entstaube den Scharoun!“
Das geschieht nun in Etappen –
dazu hat man diesen Lappen. -
Tatiana Ujt 19.10.2020 07:35
…Ist die verzerrte Form der Terrassen des Großen Saales mit ihren unterschiedlichen Winkeln der Akustik verschuldet oder ist es in Mittel, ein ausrucksstarkes Bild zu erreichen?
Was sind die Neigungswinkeln der Terrassen im Großen Saal und im Kammermusiksaal?
Verstehe ich es richtig, daß die Terrassen multifunktional sind? Auf einigen Photos sehe ich Musiker darauf, auf anderen nur Zuschauer. -
Dimitri Suchin 19.10.2020 12:18
Die Saalform ähnelt eine 8, in der eines der Kringel der anderen viel größer ist. Das Podium ist zu ihr nochmals verschoben. Das ist tatsächlich eine Folge der vielen Feilens an einer Grundform. Es war der Kreis. Doch setzt man die Zuhörer kreisförmig um ein Orcherster, wird eine unverhälntismäßig große Zahl den Musikern ins Ohr schauen und sie dabei sehr eigentümlich hören, denn die meisten Instrumente sind gerichtet. Eine kreisrunde Arena ist zudem ein den Akustikern ein Greuel, der falschen Zahl der frühen und späten Echos und der Brennpunkte wegen.
Die meisten werden auch weiterhin die Frontalsicht bevorzugen — schon sehen wir jene Seitensitze rüberfließen. Die Musiker wollen sich selbst hören — und die links und rechts vom Podium verbliebenen Sitze fahren hoch hinauf. Dort wird der Blick beschränkt — da neigen sie sich stärker.
Ein besonders kunstvoll aussehender Grundriß war nie ein Ziel für Scharoun. Graziöse Diagrammen waren nie sein Thema. Dagegen die Lösungen für unterschiedliche Arten der Saalnutzung bei dem oder anderen Konzert, bei voller Auslastung und bei den halbleeren Rängen: dies zeichnete Scharoun sehr wohl. Und ließ davon etwa die genaue Form und Lage seiner Brüstungen bestimmen. Daß es dieser Barrieren geben wird, stand bereits beim Vorentwurf fest.
Die Längsneigung des Großen Saales, von Nord nach Süd, beträgt: 20,64°— 19,24°— 13,25°— 0°— 11,98°— 27,33°— 22,97°. Die einzelnen Reihen sind dazu noch längsgeneigt, um 4, 5, 6 oder 10%.
Im Kammermusiksaal sind die Neigungen: 0°— 19,60°— 23,29°— 29,09°— 31,56°
Beide Säle sind für Raummusik ausgelegt, darauf, daß die Musiker oder das Chor teilweise oder gänzlich zwischen den Zuhörern stehen. Dafür gibt es Steckdosen für Mikrophone oder Notenlicht usw. Im Großen Saal wäre das links und rechts seitlich vor dem Podium, sowie ganz hinten im Bereich der Stehplätze und ganz oben links und rechts. Im Kammermusiksaal wäre das im Ringumgang und auf den Balkonen.
Zuletzt wurde derlei gerade vor dem Virus so bespielt. Es gab Techno. -
Tatiana Ujt 21.10.2020 07:41
Meine weitere Fragen gelten der Akustik wieder:
1. Gab es irgendwelche akustisch bedingte Anpassungen am Saal nach seiner Fertigstellung, an den „Wolken“ usw.?
2. Läßt der Saal zur jeweiligen Musik- und Veranstaltungsart verändern? Indem man beispielsweise akustisch wirksame Teile anders verstellt usw.? -
Dimitri Suchin 21.10.2020 07:51
Im Großen Saal sind seit der Eröffnung verändert worden:
1., die Segeln überm Podium. Ihre endgültige Höhenlage bedürfte einiger Naturtests, im Voraus war sie nicht zu bestimmen. Das war kurz vor der Eröffnung; seitdem hängen sie ohne Änderung.
2. das Podium wurde kurz nach der Eröffnung von irgendwem glänzend lackiert. Die Klangfolgen waren verheerend. Alles mußte abgeschliffen werden.
3. dasselbe Podium wurde aus Kostengründen ohne vorgesehen gewesene Technik in Betrieb genommen. Als aber die Mittel wieder zur Verfügung standen, stellte es sich heraus, die Technik sei inzwischen fortgeschritten und erfordere andere Maschinenräume an anderen Stellen usw. So mußte das Podium komplett ersetzt werden. Wisniewski verlieh ihm dabei andere, rundere Segmentformen.
4. Anfang 1990er stürzte ein Stück der Gipsdecke ab. Niemand kam zu Schaden, doch man nahm dies zum Anlaß, sie komplett auszutauschen gegen eine nicht mehr mitschwingende, harte Zementschale. Viele alte Philharmoniehörer empfanden eine schmerzlichen Unterschied.Verdrehbare Elemente usw. gibt es im Saal keine.
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Tatiana Ujt 24.10.2020 01:05
Meine weiteren Fragen sind zum Tragwerk:
1. Woraus sind die tragenden Teile der Philharmonie?
2. Welche Stützen-, Rahmen-, oder Kragarm-Arten sind in ihr verwendet?
3. Gab es irgendwelche Techniken, Konstruktionen oder Materialien, die eigens für die Philharmonie entwickelt wurden? -
admin 24.10.2020 14:27
Größtenteils ist die Philharmonie aus Beton. Slaff- und spannbewehrt.
Die Saalwände (Bauteil A) sind aus demselben Beton, etwa 20cm stark und ohne Dehnungsfugen. Die Dachbinder sind auch aus Beton. Die umliegenden Bauteile B, C, D haben ein Stahlbetongerüst, je nach Bedarf ausgemauert, mit Ziegeln, Glassteinen usw.Ähnlich ist auch der Kammermusiksaal, nur daß dort statt aus Beton das Dach aus Stahl konstruiert wurde. Der Zeit und der Kosten wegen. Interessant, daß am Großen Saal bei der Deckung aus denselben Gründen Stahl mit Beton ersetzt wurde.
Ansonsten aber ist der Saal in seinen konstruktiven Teilen eigentlich alles andere als bahnbrechend. Es ist die Zusammensetzung, die den Unterschied macht!Nehmen wir den Hauptparkett vor, die Sitzblöcke A, B, C. Sie liegen auf einem „Kiel“ auf, den wiederum von Links nach Rechts 4 Auflager tragen. An der tiefsten Stelle ist es die massive Wand unterm Orchester, mittig die V-Stütze, die in sich nochmals aufgedoppelt ist, und Außen in der Fassade eine A-Stütze. Diese sieht man aber nicht, denn sie ist in der Rot-Schwarzen-Lichtdusche von Camaro verborgen. Und da die V-Stütze dereinst noch ins Blumenbeet gesteckt und von den Stufen umgeben, war sie den Blicken förmlich entzogen. Viele dachten, der ganze Saal krage frei aus.
Die Stütze ist selbstredend eingespannt, ähnlich komplex wäre vielleicht noch die Eingangsüberdachung… Sonst aber laute Träger auf zwei Stützen und gewöhnliche Säulen. Mehr war nicht nötig — und auch nicht möglich: die Philharmonie hatte ein äußerst knappes Budget, fürs Experimentieren mit ungeahnten Konstruktionen war da einfach keine Luft mehr da! Fertigbeton hätte beispielsweise hochentwickelter Werke bedürft, der es in Berlin (West) bis zur Wende nicht gab. Alles wurde konventionell verschalt, was der Philharmonie zeitweilig den Ruf eines größten Holzbaus Berlins gab. Und 1961 fast schon den Todesstoß verpaßte, denn die Betonierer kamen größtenteils aus dem Osten. Zugleich aber machte gerade der Mauerbau aus der Philharmonie ein Prestigeprojekt, es gab Sondermittel für die Ausstattung…
Doch auch die vermochten es nicht mehr zu verändern, daß ausgerechnet der Große Saal keinen Keller hat.Für den Längsschnitt sei auf die Antwort 19 verwiesen, ein Querschnitt am Binder 4 ist vor allem wegen der unspektakulären Konstruktionen unterm Saal interessant:
Futuristisch war am Bau schon eher die Außenverkleidung aus Polycarbonat. Es gab sogar schon ein Testaufbau!..
Heute kann man sie als Schal sich um den Hals wickeln. -
Tatiana Ujt 27.10.2020 09:48
Meine letzte Frage: wo verläuft die sogenannte Rote Linie zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Bereichen der Philharmonie? Nach welchem Prinzip werden die Bereiche geschieden, wenn es überhaupt eine solche Teilung gebe?
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Dimitri Suchin 30.10.2020 06:26
Mit einen Scheidungsprinzip kann die Philharmonie schwerlich aufwarten, schon eher mit einem Prinzip der Raumanordnung.
„Zwangsläufig und zwangsfrei“ (Scharoun) ergeben sie sich aus den Bewezungsflüssen der Besucher: vom Eingang zur Garderobe, von der Garderobe zum Schminkspiegel, von dort zur Bar oder die Treppen hinauf in den Saal. Ein mehrgliedriger und ungerader Ablauf — doch nirgends unlogisch, nirgends etwa durch Zwänge oder Dienste verursacht erscheinend. Als ob es ihrer überhaupt nicht gebe!
Leider ist diesem vor ein Paar Jahren ein erheblicher Schaden zugefügt worden. Die Philharmonie-Leitung wünschte sich einen direkten Zugang zu den Stationen und den Kauftempeln des Potsdamer Platzes — da ließ man die Parkplätze schleifen und legte hier einen neuen Zugang an. Geometrisch korrekt! Doch nun quält sich der Besucher an der langen Wand des Artisten-, Raucherinsel-, Verwaltungs- und Hausmeister-Flügels ab, bevor er seitwärts ins Kasesenvestibül gelangt.Oben sind die Diensträume grau hinterlegt. Der Haupteingang ist unten links, der neue Eingang Mitte rechts.
Den Schnitt sehen Sie im Kommentar 19. da sind die nichtöffentliche Etagen rechts hinter dem Elephantenfuß des Flügelaufzugs. Ein sauber versteckter Elephant. -
Lara H 02.03.2021 16:02
Hallo, meine Frage wären, wie groß die Philharmonie ist? Gibt es genaue Maße zu den Wänden, dem Saal, der Höhe etc.?
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admin 03.03.2021 03:52
Da solche Fragen wiederholt auftauchen, wollen wir alle Maße zusammenführen.
- Sitzplätze — 2.335
- Länge des Saales 60 m, Breite 55 m, Maximale Entfernung zum Zuhörer 30 m
- Höhe über Podium 22 m, Podium über Planum, 12,8 m
- Saalfläche gesamt 1.558 m2. Davon Zuschauerfläche 1.057 m2, mit Barrieren zwischen den Sitzblöcken werden 1.385 m2 daraus, pro Zuhörer 0,62 m2. Konzertpodium 172,5 m2.
- Rauminhalt 21.000 m3, je 9 m3 pro Zuhörer (häufig auf 10 m3 gerundet).
Siehe außerdem die Antwort 19 hier oben.
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Lara Hantschel 06.03.2021 12:55
Guten Tag,
ich bin Studentin der Hochschule Darmstadt und gerade dabei im Fach Gebäudekunde eine Analyse zur Berliner Philharmonie zu machen.
Ich hätte eine Frage bezüglich der Fassade. Ich weiß, dass es gelb eloxierte Aluminiumplatten sind, aber handelt es sich dabei um eine vorgehängte Fassade? Haben die Aluminiumplatten einen besonderen Namen, welcher die Struktur erklärt?
Zudem wollte ich fragen, ob es sich um einen reinen stahlbewehrten Beton handelt oder ob noch reiner Stahl verwendet wurde?
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admin 08.03.2021 08:01
Sehr geehrte Frau Hantschel,
es ist kein Name für das verwendete System der 80cm breiten Alu- und Plexiglas-Tafeln bekannt. Ihre Rasterung war ein „Modulsystem“, zuweilen sprach man auch vom „Modulor“, was aber keinen Verweis zur Bauart der Platten gibt und erst recht nicht auf Corbusier. Gesucht war eine Fassadenverkleidung, die Tiefe in ihrer Struktur biete; man hat es mit Streifenfaltungen versucht („Narrenhemd“) und mit Waben, aber ohne zufriedenstellenden Erfolg. Die Freigabe der jetzigen Lösung durch Scharoun erfolgte 1970.
Es handelt sich um eine klassische vorgehängte Konstruktion. Mit Luftschicht und geplanter Wärmedämmung dahinter. Da die Verkleidung aber in der Bauphase eingespart wurde (-300.000 DM), und die Dämmung nun auf der Innenseite der Beton-Außenwand liegt, ist ihr Zweck nach der Anbringung 1979 (+6.000.000 DM) rein dekorativ. Da die Plexiglasscheiben keine schwer entflammbare Qualität aufweisen, gibt es an der Philharmonie eine Fassaden-Besprühungsanlage (an der Staatsbibliothek wurde Plexiglas fortgelassen und auch die Beregnung, der Buchbestände wegen).
Die Tragkonstruktion des Großen Saales war aus Stahlbeton geplant und ausgeführt. Stahlbinder waren einmal in der Diskussion, der Kosten- und Zeitersparnis wegen, dann aber wieder fortgelassen. Beim Kammermusiksaal dagegen kamen sie sehr wohl zur Anwendung, -
Joshua Henn 03.11.2021 14:38
Hallo zusammen,
Für ein Analyseprojekt an der Bauhaus Universität in Weimar möchten wir ein Schnittmodell der Philharmonie bauen. Hierzu benötigen wir Pläne, am besten als DWG Dateien (Grundrisse, Ansichten, Schnitte, etc.) oder im besten Fall ein 3D Modell des Gebäudes. Können sie uns diesbezüglich weiterhelfen? Falls sie Pläne haben und diese bereitstellen können wären wir ihnen sehr dankbar!
Liebe Grüße,
Joshua Henn
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admin 03.11.2021 15:03
Sehr geehrter Herr Henn,
solche DWG-Dateien liegen uns nicht vor. Nachgezeichnete Pläne einzelner Ebenen und Schnitte finden Sie beispielsweise im Seminar „Historia en obres“ in Barcelona. Ansonsten sei zum ausgezeichneten Werk Wilfried Wangs verwiesen. -
Lara 18.11.2024 13:02
Guten Tag,
ich bin Studentin an der Hochschule in Wiesbaden und beschäftige mich im Rahmen einer Hausarbeit mit der Berliner Philharmonie.
Ich hätte einige Fragen bezüglich der Böden und Terrassen:
Gibt es ein bestimmtes Konzept mit dem die Materialien der Böden und verschiedenen Ebenen/Terrassen von einander abgegrenzt werden?
Inwiefern spielt die Höhe z.B. des Foyers oder des Konzertsaals bezogen auf das Straßenniveaus eine Rolle bei der Wahl des Materials?
Aus welchem Material sind die Treppen zu den Terrassen? -
admin 18.11.2024 14:07
Sehr geehrte Frau Rosemann,
da es die Ebenen (in Plural) nur Innen gibt, bezieht sich Ihre Frage wohl aufs Foyer des Großen Saales. Dieses ist im Erdgeschoß mit Stein und Mosaiken Fritz Reuters belegt, auf den Umgängen und Treppen mit grünlich-beigem Velourteppich; auf allen Ebenen gleich. Die Bodenskulptur-Streifen gehen dabei durch die Wände und setzen sich draußen fort.
Scharoun schwebten Außen- und Innen verschmelzende „überdachte Plätze“ vor – im Erdgeschoß wäre man auf so einem. In den Obergeschossen dagegen, den Obermantel bereits abgelegt, und auf dem Weg dorthin ist man eindeutig im Inneren: an der untersten Stufe der Treppen beginnt schon der „Auslegbereich“. Auch wird die Schalldämpfung hier vor den Saaltüren besonders wichtig.
Die einzige Ausnahme sind die vier Stufen an der V-Stütze: sie sind steinern wie der Schieferboden um sie herum.
Die Setzstufen der „Normaltreppen“ sind aus weißlichen Betonwerkstein, unter den Geländergittern sieht man denselben. Die verborgenen Diensttreppen sind mit grauem Fertigteil-Terrazzo belegt, Tritt- und Setzstufen bilden je ein Element. -
Martin 29.11.2024 09:58
Guten Tag,
für ein Schulreferat habe ich eine Frage: Es wird stets auf das dreifache Fünfeck als Grundform für die Philharmonie verwiesen. Gibt es eine Skizze oder andere Darstellung, die die Fünfecke im Grundriss für Grundschüler nachvollziehbar und augenfällig macht?Besten Dank – auch übrigens für Ihre äußerst informative Seite!
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admin 29.11.2024 10:45
Sehr geehrter Herr Nagorni (?),
es gibt keine. Nur ein Diagramm aus der Ausstellung „ScharouNIE„, welches diese gern verbreitete aber grundfalsche These widerlegt. Es gab keine Grundformentwicklung aus den Fünfecken heraus, diese lassen sich auch nicht auf umgekehrten Wege so auslegen, daß der Umriß des Saales entsteht. Die Ecken passen nicht, die Wände sind aus der Flucht, vom Mittelpunkt ganz zu schweigen — und das im besten unserer vielen Versuche!
Berliner Philharmonie, Großer Saal
Ursprünglich hielt das philharmonische Orchester seine Konzerte im “Skating-Ring” in der Bernburger Str. ab. Diese Spielstätte brannte im Krieg ab, eine neue zu errichten machte die “Gesellschaft der Freunde der Philharmonie” sich zur Aufgabe.
Dazu wird 1956 ein Wettbewerb ausgelobt, als Standort steht das Gelände des Joachimstal’schen Gymnasiums zur Verfügung, im Zentrum West-Berlins. Der Saal sollte hinter dem Gymnasium-Altbau liegen und an eine Hochstraße angrenzen.
Hans Scharoun gewinnt den Wettbewerb, spricht sich aber sofort für einen Standortwechsel aus, denn die Philharmonie soll für die gesamte Stadt gebaut werden; 1959 wird daraufhin beschlossen, sie zum Kemperplatz zu verlegen und dort einen Kommunikationsort für alle Stadtsektoren zu schaffen.
Der Grundstein wird 1960 gelegt und bereits am 15. Oktober 1963 das Haus eröffnet.
Bis dahin hielten sich die Konzertsäle eng an die im Theaterbau entwickelten Regeln. Die Musiker — auf der “Bühne”, ihnen gegenüber — die Zuschauer; Produzenten und Konsumenten. Scharoun hingegen holte sich das Vorbild von der Straße: wenn dort Musik erklingt, bildet sich ein Zuhörer-Kreis. Auf diese Weise, aus der Musik heraus, entwickelt er seinen Saal: “Der Saal ist wie ein Tal gedacht, auf dessen Sohle sich das Orchester befindet, umringt von steigenden Weinbergen. Die Decke entgegnet dieser Landschaft wie eine Himmelschaft, vom Formalen her wirkt sie wie ein Zelt.”
Die Sitze sind in Gruppen verteilt, der Zuhörer steht als Individuum, nicht als Teil der Masse der Musik gegenüber. Ihm wird auch kein Standort, keine Blickachse zugewiesen, kein Raumbild vorgeprägt — er selbst solle raumschöpfend wirken. Darin soll den Kritikern zufolge der “demokratische Keim” des Kulturforums sein — das Gebäude gebe “nicht genügend Gelegenheit, Rang und Reichtum zur Schau zu stellen…”
Von Anfang an war die Philharmonie mit “Nebenbauten” zusammen geplant gewesen. So zeigt eins der Modelle der 1950erJahre den Kammermusiksaal, der erst 1987 seine Tore öffnete, kurz zuvor (1984) wurde auch das Musikforschungs-Institut mit dem Musikinstrumenten-Museum übergeben. Ihre Foyers und Dachterrassen fließen ineinander über, den Musikern und Zuhörern vielfältige Spiel- und Hörstätten anbietend.
Leider sieht man das allzu selten.
(von einer inzwischen abgeschalteten Homepage)