Der Weg zur Philharmonie

Im „Tagesspiegel“ schreibt Bernhard Schulz über die Arbeit unseren Schwesternvereins „Kamswyker Kreis e.V.“ an der Rettung der Erstlingsbauten Hans Scharouns im fernen Ostpreußen: ohne sie seien die späteren Meisterwerke, die Berliner Philharmonie oder die Staatsbibliothek schwer verständlich.

Auch dem Nichthistoriker sei der Weg in die alte Heimat nahezulegen: die Art und Weise wegen, wie Scharoun dort ganz zu Anfang seiner Karriere formte und selbst geformt wurde. Seinen Auftrag — Heimat bauen, Land und Leute in die Moderne mitnehmen, ohne die Tradition abzustreifen — meisterte er beispielhaft.  So etwas verlernte man heute gründlich — an der namensgebenden „Siedlung Kamswyken“ bestünde die Chance, es neu zu lernen. Es bedarf aber dringend der Unterstützer, Paten und Spender.

Scharoun-am-Don

Nach Moskau, Königsberg, Minsk, sowie St.Petersburg sind die Wanderausstellungen „Hans Scharoun, Architekt und Zeichner“ und „Hans Scharoun, Photos von Carsten Krohn“ inzwischen in Rostow-am-Don angekommen und werden am Abend des 28.12.2017 feierlich eröffnet. Im großen Lichthof der Öffentlichen Bibliothek Don werden jeweils zwei Panoramen Scharoun´schen Schaffens gezeigt: im Erdgeschoß eines der herausragenden Entwürfe und Zeichnungen, von der Akademie der Künste ausgewählten Pläne und zeitgenössischen Bilder; im Obergeschoß, jenes der neuzeitigen Aufnahmen Professor Krohns.

Seit 2015 tourt unser Schwesterverein Kamswyker Kreis e.V. durch die russischen Lande, um Person und Werk Scharouns bekannt zu machen und für den Erhalt der dortigen Bauten Unterstützer zu finden. Es handelt sich dabei um die erste Scharoun gewidmete Ausstellungen dort.

…Siedlung Kamswykus, auch „Bunte Reihe“ genannt, in der ostpreußischen Stadt Insterburg (heute als Tschernjachowsk in der Provinz Kaliningrad), war dem Architekten eine Art Diplomarbeit: seit 1915, noch als Student, arbeitete Scharoun hier am „Ostpreußischen Wiederaufbau“, der Neuschaffung der gesamten Provinz, die durch die Kämpfe des Ersten Weltkrieges verwüstet war. Heute hat dies Werk des „Bunten Bauens“ der frühen 1920er Jahre alle Chancen, zum regionalen Entwicklungszentrum aufsteigen, so ein Vorschlag der „Kamswyker Kreise“, die alle zur Zusammenarbeit einladen.
„Es gab einmal ein Land, dem es gelang, aus divergierendem öffentlichen Geschmack, dem Planerwollen und dem Handwerkerkönnen zu neuer Größe zu wachsen, Formalismus abzulegen, und auch die Ausführung ohne Herz und Verstand. Man stieg zu den Höhen des 20. Jahrhunderts hinauf: zum Haus als „Erfüllungsorgan“ des „Wohnvorgangs“, zur „Gestaltfindung“ aus inneren Wesen der Aufgabe heraus anstelle des „Ent-Werfens“ des gottgleichen Allwissers. Nicht anders entstanden die von Karajan so beliebte Philharmonie, die Staatsbibliothek aus dem „Himmel über Berlin“, das „aperspektivische“ Theater in Wolfsburg, die „Darmstädter“ Schulen, Keimstätten des neuen Bürgersinns, die Villen und die Wohnhochhäuser, ganze Stadtbezirke – dem allem war in Ostpreußen ein Grundstein gelegt, dies alles kann, ja soll man heute erlernen!“
(aus dem Press-Release)

Die Ausstellungen wurden ermöglicht durch die Unterstützung der Stiftung Wiedergeburt (Pillau), der Firmen Keimfarben und Rheinzink. Sie sind bis zum 2.2.2018 zu den Öffnungszeiten der Bibliothek zu besichtigen; ihre nächste Station wird Kasan sein.