Kasseler Staatstheaterentwurf als 3D-Animation

Am 25. Juni 2017 präsentiert der Kasseler Architektursalon im Stadtmuseum Kassel die soeben fertiggestellte 3D-Animation des Staatstheater-Entwurfes von Hans Scharoun (WV-180, 181).

2009 begann das Projekt, aus den Plänen für das Staatstheater Kassel von Hans Scharoun und Hermann Mattern eine 3D-Animation anfertigen zu lassen. Das Ergebnis liegt nun vor: Der zweiminütige Film zeigt das großartige, 1952-54 geplante Theatergebäude, das sich damals kaum einer vorstellen konnte, von oben, von außen, aber auch von innen, z.B. das Foyer und den Saal mit mehreren Bühnenvarianten.

Dieses Projekt wurde vom Kulturamt der Stadt Kassel und von der Pfeiffer-Stiftung finanziell gefördert sowie von privaten Spendern.
Man dankt dem Stadtmuseum für seine Unterstützung; Frau Wolff-Eichel und Frau Dr. Dörr waren  dabei behilflich, die Förderung des Kulturamtes zu erhalten; Prof. Dr. Manuel Cuadra, Universiät Kassel, hat den Planankauf bei der Akademie der Künste unterstützt; Dr. Gisela Leisse hat in Berlin die Auswahl der Pläne vorgenommen.

Vor der Vorstellung des Renderings und einer 3D-Animation von Pat Taylor wird Dr. Sylvia Stöbe einen Vortrag über den Entwurf, seine Geschichte, seine Hintergründe halten.

Beginn: 11:30 Uhr.

Das Museum des 20. Jahrhunderts – ein Geschenk mit Folgen

Museum des 20. Jahrhunderts auf dem Berliner Kulturforum: Stellungnahme der SCHAROUN-GESELLSCHAFT e.V.

Zur Situation

Die Entscheidung des Preisgerichts Ende Oktober 2016 für den Entwurf von Herzog & de Meuron hat eine Welle kritischer Kommentare ausgelöst. Der von der Jury hochgelobte Archetypus des „Urhauses“, der „Markthalle“ oder des „Festzeltes“ wird von dieser als faszinierende Interpretation eines zeitgemäßen Museums gesehen. Presse und Öffentlichkeit assoziieren mit dem Gebäude eher „Scheune“, „Kunstschuppen“ oder „Billigmarkt“ und hadern mit der schieren Größe dieser Hausform, die auch der am Verfahren beteiligten Denkmalpflege weder dialogfähig noch feinkörnig genug erscheint. Außerdem fehle eine Gesamtidee für ein „Forum“ als einzigartigen Berliner Treffpunkt mit internationaler Bedeutung. Der Bund, das Land Berlin und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz freuen sich dagegen, ein Projekt aus den Händen eines vorzeigbaren Architekturbüros präsentieren zu können.

Die SCHAROUN-GESELLSCHAFT will das entstandene Dilemma konstruktiv lösen helfen. Wir beurteilen das Ergebnis des Wettbewerbs auch kritisch, sehen hierin aber eine deutliche Aufforderung, dem hohen Anspruch des Ortes entsprechend die weitere Entwicklung zu begleiten und im Sinne Scharouns zu verteidigen.

Zum Wettbewerbsverfahren

Die Teilnehmer waren mit einer Ausschreibung konfrontiert, die wesentliche Defizite enthielt.

  1. Der Schwerpunkt lag auf dem umfangreichen Raumprogramm für die überwiegend museumstechnischen Belange. Die Gestaltung einer ebenerdigen Zone mit gastronomischen und kulturaffinen Nutzungen und die Verknüpfung mit dem Außenraum war nicht vorgesehen. Ein
    monofunktionales Gebäude mit weitgehend geschlossenen Außenfronten sind nun das anti-urbane Ergebnis.
  2. Den Teilnehmern waren die Hände gebunden, wenn sie die die freiraumplanerischen Folgen ihrer Konzepte gestalten wollten. Laut Auslobung war „Das Verkehrs- und Freiflächenkonzept für den Matthäikirchplatz und den Scharounplatz zu beachten“, da es „bauplanrechtlich gesichert“ ist. Die Freiraumkonzepte 2011 bis 2014 sind unter ganz anderen Voraussetzungen entstanden und haben mit der aktuell entstandenen Situation wenig gemeinsam.
  3. Der Begriff „Forum“ mit einer definierten Zukunftsvision wurde den Teilnehmern vorenthalten. Damit wurde die Möglichkeit verschenkt, eine Gesamtidee für eine Beseitigung der gegenwärtig öden Nutzungs- und Erscheinungsform zu erlangen.

Bei der Ausstellung der Wettbewerbsarbeiten wurde den Besuchern ein Vergleich mit der grundlegenden Ausgangsplanung Scharouns zum Kulturforum im Wettbewerb Staatsbibliothek 1963/64 leider nicht angeboten. Die Präsentation des vorhandenen Modells von 1984 und entsprechende Erläuterungen hätten der Souveränität des Auslobers und der Urteilsfähigkeit der Besucher gut getan.

Das Modell des Kulturforums von 1984

Zum Städtebau

Die Anordnung des Baukörpers entlang der Potsdamer Straße ist grundsätzlich richtig. Es entsteht ein vom Verkehrslärm geschützter Innenraum, dessen weitere Gestaltung als vitale Mitte des Forums jetzt zu organisieren ist. Dabei ist die Freihaltung dieses Raumes vom Individualverkehr zu sichern.

Die Matthäuskirche wird durch einen viel zu geringen Abstand optisch zu einem Anbau an M20 degradiert. Sie muss jedoch als freistehender Solitär wahrnehmbar bleiben.

Die Staatsbibliothek ist Bestandteil des Kulturforums. Das derzeitige Profil der Potsdamer Straße lässt eine gefahrlose Überquerung der Nutzer beider Seiten nicht zu. Verringerung der Fahrbahnbreiten, Verzicht auf den Mittelstreifen, breite und erhöhte Zebrastreifen, Geschwindigkeitsbegrenzung und partielle Verschwenkung der Trasse sind notwendige Maßnahmen, um die trennende Wirkung zu verringern.

Zum Gebäude

Der große ungegliederte Baukörper belegt das gesamte Baugrundstück und konfrontiert die Neue Nationalgalerie und den Kammermusiksaal mit riesig wirkenden Giebeln, deren Form und Größe an diesem Ort irritierende Fremdkörper darstellen. Die kreuzungsartige Durchwegung bildet vier Museums-„Quadranten“, die leider nicht am Außenbaukörper, sondern nur im Plexiglasmodell ablesbar sind.

Verschenkt wird das Raumvolumen über den inneren Boulevards. Hier könnten weitere Flächen im OG aktiviert werden zugunsten von mehr öffentlichem Angebot im EG. Durch Auslagerung von Verwaltungs-, Werkstatt-, Lager- und anderen nichtöffentlichen Räumen könnte das Volumen weiter reduziert werden.
Das Restaurant müsste deutlich aufgewertet werden.

Als „Reverenz“ an die Matthäuskirche wird ein „Backstein“-Vorhang vor die Fassaden gehängt mit Steinformaten von immerhin ca. 50×30 cm – porös aber keineswegs offen. Trotz einiger Öffnungen erscheint das Haus introvertiert und verschließt weitgehend den Innen- vom Außenraum.

Eine allseitige Durchlässigkeit der ebenerdigen Zone des Neubaus war eine der genialen Ideen Scharouns bei seinem Haus der Mitte und ist aller Anstrengungen wert, dies auch beim M20 umzusetzen. Dessen öffentliche Durchquerungen sind bereits der richtige und ausbaufähige Ansatz.

Zur Freiflächenplanung

Das aktuelle Freiraumkonzept stammt aus einer Zeit, als an den Bau eines Museums zwischen Matthäikirch- und Scharounplatz noch gar nicht zu denken war und ist damit obsolet geworden. Nur eine Anpassung an die völlig neue Ausgangslage ist widersinnig – es muss neu nachgedacht werden! Eine bestehende „bauplanrechtliche“ Sicherung kann jederzeit durch eine neue ersetzt werden.

Die neue zukünftige Mitte des Forums ist der Matthäikirchplatz. Modische Rückgriffe auf vergangene Zeiten in Form des alten Platz-Rondells ohne die ehemalige Umgebung widersprechen dem Geist der neuen Planung. Hier wird der vom Verkehrslärm abgeschirmte zentrale Begegnungs- und Aktionsraum für das Forum zu gestalten sein. Der alte Wrangelbrunnen des ehemaligen Kemperplatzes auf einer ansonsten großen gepflasterten Fläche mit einer Markierung des Rondells wäre hier als Spur der Erinnerung denkbar und ausreichend.

Der vor dem rückwärtigen Eingang der Philharmonie geplante „Scharounplatz“ soll nach Vorgabe des Wettbewerbs künftig der „neu geschaffene zentrale Platz“ sein. Damit wäre der wichtigste soziale Raum des Kulturforums ohne wirksame Abschirmung dem Lärm von ca. 100 000 Autos pro Tag ausgesetzt. Dieser Irrtum muss berichtigt werden. Dieser begrünte Platz könnte aber zu Lasten der überdimensionierten Pflasterfläche zwischen Philharmonie und Kammermusiksaal erweitert werden und damit den möglichen Wegfall anderer Grünflächen kompensieren.

Kulturforum mit Forumskultur

Für ein funktionsfähiges urbanes Forum hat es hier noch nie bessere Chancen gegeben. Die bestehende Situation für die Besucher der Hochkulturen ist einer Hauptstadt unwürdig. Die Idee eines vitalen Aktionsraumes besonderer kultureller Ausprägung in all seinen variablen Facetten muss endlich über den reinen Bauwettbewerb hinaus definiert und organisiert werden.

Ein FORUM mit einer „Piazza“ als zentralem Platz – dieser Urgedanke Scharouns ist jetzt zum Greifen nah. Eine bloße „Aufenthaltsqualität“ wie im bestehenden Freiraumkonzept ist zu wenig. Das neue Forum muss ein Ort werden, wo man sich gern trifft, sich austauscht, diskutiert und aktiv an spontanen Aktivitäten teilnimmt – ein Treffpunkt, an dem immer etwas los ist, unabhängig von den Öffnungszeiten der Anlieger. Ein Podium, auf dem alle kulturell interessierten Besucher gleichermaßen als Zuschauer und Darsteller agieren, vor allem aber ein geborgener, gastlicher und entspannter Ort für Spiel, Tanz, Musik, Theater, Events, Festivals, Performances, Public Viewing usw. Ein Magnet für Berliner, nationale und internationale Gäste, auch wenn sie kein Museum, Konzert oder keine Bibliothek besuchen wollen. Ein Ort auch für Gaukler und Flaneure, für Müßiggänger und Hitzköpfe. Und ein Ort, an dem man gern nach dem Konzert oder Museumsbesuch bleibt.

Kreative und anspruchsvolle Gastronomie gehört dazu wie auch die technische Infrastruktur für alle denkbaren Veranstaltungsarten. Eine kleine Bühne am Rand, partieller Wetterschutz, Möglichkeiten zum Sitzen, Barrierefreiheit, Wasserspiele usw.

Dafür wird ein zentrales Management benötigt. Eine derartige Steuerungsgruppe sollte frühzeitig eingerichtet werden und entsprechende kreative und organisatorische Kompetenz besitzen. Die anliegenden Institutionen können das nicht leisten.

Ohne einen landschaftsplanerischen Wettbewerb ist die Fülle der Möglichkeiten kaum zu erlangen. Dieser sollte noch in diesem Jahr durchgeführt werden und in Synergie mit der bauplanerischen Überarbeitung stattfinden.

Zukunft des Kulturforums? Zukunft des Kulturforums!

Die gegenwärtige Ruhe ist wohl damit zu erklären, dass Politik und Verwaltung diskutieren, ob und wie es mit dem preisgekrönten Entwurf weitergeht. Die SCHAROUN-GESELLSCHAFT will mit diesen konstruktiven Vorschlägen zur Diskussion beitragen und erwartet von den auslobenden Institutionen, sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen und folgende Forderungen zu berücksichtigen:

  1. Das neue Museum des 20. Jahrhunderts und das zu entwickelnde FORUM bedingen sich gegenseitig. Ein Erfolg des Museums ist ohne eine umfassende Vitalisierung des Umfeldes nicht zu erwarten. Hier ist das Land Berlin gefordert, die damit verbundene Finanzierung sicher zu stellen.
  2. Die überdimensionale Erscheinungsform des Gebäudes in seiner monofunktionalen Struktur muss stadtverträglich umgeformt werden – besonders auch gegenüber Neuer Nationalgalerie und Kammermusiksaal / Philharmonie.
  3. Der ebenerdige Bereich ist über die reinen Erschließungsflächen hinaus mit forumsnahen Nutzungen zu versehen, die über die reine Museumsnutzung hinausgehen und auch außerhalb der Museumsöffnungszeiten betrieben werden und erreichbar sind.
  4. Das Land Berlin führt noch in diesem Jahr ein geeignetes konkurrierendes landschaftsplanerisches Verfahren durch, das die zukünftige Gestalt der Freiflächen im Bereich des Kulturforums zum Inhalt hat. Bisherige Planungen haben nur nachrichtliche Funktion.
  5. Auf der Ebene des Kultursenators wird die Stelle eines verantwortlichen Experten (intern oder extern) geschaffen, der die Entwicklung und den Betrieb des Kulturforums inhaltlich und organisatorisch steuert.
  6. Die weitere Entwicklung darf nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt werden. Turnusmäßige Informations- und Diskussionsveranstaltungen sollten gerade in der gegenwärtigen Koalition selbstverständlich sein.
Zum besseren Verständnis unserer Vorschläge, ein Lageplanbild und ein Modellfoto des Wettbewerbs-Ergebnisses.

gern modern?

Gern modern?“ — unter diesem Titel zeigt der „Werkbundarchiv—Museum der Dinge“ in der Oranienstraße die Wohnkonzepte für Berlin nach 1945. Zu sehen ist tagreelles und zukünftiges Einrichten, wie von Werkbundlern gleich nach dem Kriege bis in die späten 1950er entwickelt. Einiges über Jahre bildprägend doch inzwischen vergessen, anderes nie angenommen und somit auf dieser Schau fast erstmalig gezeigt: ein Besuch sei wärmstens zu empfehlen.

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Es gesellt sich zur berühmten „Werkbundkiste“, einem Wohnungs-Einrichtungs-Spielkasten für Erwachsene, zu den zeitgenössischen Plakaten und ganzen Möbelstücken (wobei nebst einem neuartigen Dreibein-Ring-Hocker ein aus Bewehrungsstangen selbstgebastelter Stuhl die Aufmerksamkeit an sich zieht) gleich eine ganze Retrospektive der unter Hans Scharouns Regie konzipierten Ausstellung „Berlin plant, erster Bericht“ (1946, Werkverzeichnis 162).

Eingangsplakat am geschossenen Stadtschloß-Portal

Eine besondere Attraktion damals waren fünf wie Puppenstuben eingerichtete Montagehaus-Modelle, Einfamilienhäuser aus Kunststoff. Entwickelt hatte sie ein „Internationales Komitee für Wohnungswesen“ (DE — Böttcher, Ebert, Friedrich, Mächler, Scharoun, Seitz, Selmanagic; FR — Hauptmann Polin, Mme Fayolle; GB — Hauptmann Newmann; SU — unbekannt; US — unbekannt): die Haustypen sollten die Wohngebräuche Amerikas, Rußlands, Frankreichs, Englands, Deutschlands wiederspiegeln und auch bessern, und so einen Beitrag „zum friedlichen Aufbau der Welt“ leisten (Hans Scharoun bei Eröffnung der Schau).

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(links, Typ Frankreich; rechts, Typ Deutschland)

Der Meister selbst beteiligte sich am Modellhaus „Typ Deutschland“ (Werkverzeichnis 163). Für die Ausstellung wurden vom Oberstufenzentrum für Holztechnik, Glastechnik und Design alle Modelle nachgebaut, „Typ Deutschland“ sogar im damaligen Originalmaßstab, sogar mit dem Traggerippe.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 26. Juni 2017, täglich außer Dienstags und Mittwochs von 12.00 bis 19.00 Uhr in der Oranienstraße 25, 10999 Berlin.