Pressemitteilung Scharoun-Filmabend

Die Scharoun-Gesellschaft widmet sich seit ihrer Gründung 1984 nicht nur den Bauten von Hans Scharoun, sondern auch der Vermittlung. Ausstellungen, Exkursionen, Vorträge und Forschung, aber auch Filmvorführungen zählen dazu: Die großen Werke wie „Himmel über Berlin“ den großen Kinos lassend, laufen im Atelier Scharouns bei den Tagen des offenen Denkmals die Wochen- und Abendschauen wieder, sowie ein 1961er-Interview mit dem Meister; in der Infostation nebenan — seine 1993er-Biographie von Hartmut Bitomsky. Mit dem 1970er Streifen von George Sluizer sind wir imstande, einen ganzen Scharoun-Filmabend zum Besten der Initiative „Scharoun auf Welterbe-Liste!“ anzusetzen.

  • Beim ersten Film handelt es sich um eine Aufnahme der Landesbildstelle Berlin, einer 1920 geschaffenen und 2000 aufgelösten Stelle zur Versorgung von Bildungseinrichtungen mit Film- und Bild- und Tonmaterial. „Persönlichkeitsaufnahmen“ zählten auch dazu, das Sammeln der nicht auf Tagesaktualität beschränkten Aussagen der maßgeblichen Personen des Stadtlebens: Theologe Otto Dibelius kommt da vor, Schriftsteller Günter Grass, Rechtsanwalt Otto Schily, Malerin Hannah Höch — und auch Hans Scharoun. Im Juni 1961 dürfte er vom Dach seiner gerade fertiggestellten Siedlung Charlottenburg-Nord zu „Problemen des modernen Städtebaues“ sprechen.
    Die Namen der Filmemacher sind weder im Landesarchiv, noch im Scharoun-Archiv aufzufinden gewesen. Der 12-Minuten-Streifen wurde 2023 wiederentdeckt.
  • Der zweite Film enstand im März-April 1970 im Auftrag der Erasmus-Preisstiftung zum Rotterdamer Kongreß „Bürger und Stadt im Jahre 2000“ im Mai denselben Jahres, um die Teilnehmer auf die Person Scharouns einzustimmen. Entsprechend der Name: „Hans Scharoun“ — sonst nichts. Der Erasmus-Preis für Verdienste am Wiederaufbau und Ausbau der europäischen Kultur sollte Scharouns letzter Preis und der Film seine letzte Lebzeit-Aufnahme werden; soweit bekannt, auch die einzige in Farbe.
    Das Aufnahmenteam um George Sluizer jun. und Wim van de Velde filmte im und am Atelier, in der Philharmonie, in Stuttgart-Weißenhof und Stuttgart-Rot (Romeo und Julia), in Böblingen am Rauhen Kapf und an der Orplid-Baustelle, vor allem aber an den Schulen in Lünen und Marl — wobei auch die Lehrer und die Putzfrau zu Wort kommen.
    Der 20-Minuten-Streifen wurde 2023 wiederentdeckt und 2024 dank der Zuwendungen der Wüstenrot-Stiftung, der Deutsche Wohnen und des StartNext-Crowdfundings restauriert.
  • Der dritte Film ist eine ZDF-Arte-Produktion „Imaginäre Architektur, der Baumeister Hans Scharoun“ von Hartmut Bitomsky, Jörg Kirschenmann und Eberhard Syring (67 Minuten). Das Jahr war 1993, Scharouns 100. Geburtstag nahte — man sieht die Bauwerke vor Restaurierung und die Augenzeugen. Vor „Panzerkreuzer“ besprechen Wilfried Brenne und Franz Jaschke die Details, ergänzt vom GSW-Vorstand Hans Jörg Duvigneau. Im Haus Schminke feiert das Jungpionierhaus von Christine Schwerdtner seine letzten Feste, durch das zur Gästewohnung umgenutzte Atelier führt Scharouns Neffe und Büro-Partner Peter-Fritz Hoffmeyer-Zlotnik, durch die Klassen in Lünen — der Schulleiter Dietrich Scholle. Die Putzfrauen kommen wieder zu Wort, und bei der Staatsbibliothek die Förderband-Techniker. Jonas Geist ist mit der Vorbereitung der Akademie-Ausstellung beschäftigt… Außerdem geht es ins Junggesellenhaus am Kaiserdamm, in die Häuser Baensch und Mohrmann, zu „Romeo“ und „Julia“ und in die Philharmonie.

Zur Person Scharouns siehe im Abschnitt „Scharouns Leben„.
Zum Redner beim Filmabend: Dimitri B. Suchin, Diplom-Ingenieur Architekt, 2. Vorsitzender der Scharoun-Gesellschaft seit 2018. Forschungen zu Berufsanfängen Hans Scharouns, mehrere Veröffentlichungen, zuletzt „Architektur- und Stadtbaugeschichte Berlins“ 2024, „Idee des Aperspektivischen in der Berliner Philharmonie und anderen Sälen Hans Scharouns“ 2020, “Unaussprechbare Architektur des Dritten Reiches” 2018.

Filmausschnitte und Werbeelemente zur redaktionellen Verwendung. Bessere Auflösungen können angefordert werden.

Genossin, Kollegin Architekt

Aus Anlaß ihres 50-jährigen Bestehens richtete die Berlinische Galerie einen kleineren Bereich im Obergeschoß ihrer Halle ein, den zuunrecht vergessenen Kolleginnen-im-Fach gewidmet. Man beschränkt sich auf Ost-Berlin, und hier bereits muß die Kritik ansetzen: vor nicht allzulanger Zeit feierte man in den Medien das dicht an der Mauer gesetzte IBA-Architektinnen-Quartier — ohne allerdings auch nur ein Wort über die Bauten „drüben“ zu verlieren. Nun folgt die Umschau-Ost — ohne Verweis „nach hüben“. Der kuratorische Satz „Eine öffentliche Sichtbarkeit individueller Leistungen war nicht gewünscht“ — trifft der nicht eher auf unsere statt auf damalige Zeiten zu?

Leiterinnen größerer Planungskollektive gab es in Ost-Berlin längst vor der IBA, mit der ehemaligen Scharoun-Mitarbeiterin Ludmilla Herzenstein beginnend. Hier setzt auch die Ausstellung korrekterweise an. Größtflächig und nicht nur „unter Männern allein“ arbeiteten Dorothea Krause samt Kollektiv, Iris Dullin-Grund oder Traude Kadzioch — auch sie sind mit vertreten. Warum bloß mit so wenigen und so kleinen Bildern?! Allein schon die „Wohnstadt Friedrichshain“, der Thälmann-Park, der Wuhletal oder die Tierpark-Gegend böten genügend Bildmaterial, um damit Wände zu plakatieren!

Die Kleinheit der Schau und ihre zeitliche Beschränkung — die Präsentation läuft nur bis zum Ende des Jahres — lassen hoffen, daß darauf eine wesentlich breitere und dauerhaftere Schau folge. Allein schon das Leben Ludmilla Herzensteins böte Stoff für einen Abenteuerroman!

Begleitend wird tatsächlich gelesen: am 27. Juni 2025 liest Katja Riemann aus dem Roman “Franziska Linkerhand” von Brigitte Reimann. Am 23. Juni bereits gibt es eine Führung mit Zeitzeugen und Experten. Deren Namen werden nicht verraten — man darf gespannt sein.

Scharoun-Abend in der Caserne

Am 15. Mai 2025 laden die Architektenkammer Baden-Württemberg, das Kulturhaus Caserne und die Scharoun-Gesellschaft nach Friedrichshafen ein. Dort findet die zweite Vorführung des neu restaurierten „Hans Scharoun“-Filmes von George Sluizer statt. Davor und danach laufen zwei weitere Streifen: „Probleme des modernen Städtebaues am Beispiel Berlin-Siemensstadt“ der Landesbildstelle Berlin und die „Imaginäre Architektur“ von Hartmut Bitomsky.
Zu besserer Einordnung aller drei Filme, der Umstände ihrer Entstehung und des Nachlebens davon spricht der 2. Vorsitzende der Scharoun-Gesellschaft Dimitri Suchin.
Mit anschließender Diskussion.

Ort: Kulturraum Casino im Kulturhaus Caserne, Fallenbrunnen 17, 88045 Friedrichshafen
Zeit: 15. Mai 2025, 19:00 Uhr (Einlaß 18:30 Uhr)
Karten über die Homepage des Kulturhauses und an der Abendkasse.

Tornare serenissimo

Über 6 Spalten hinweg, eine halbe Zeitungsseite mit mäandrierenden Sätzen füllend, schwadroniert in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ der 79-jährige Hans Kollhoff gegen den 1972 verstorbenen Hans Scharoun. Genauer, gegen seine nichteinmal zweijährige Amtszeit als Berliner Baustadtrat 1945-1946. Erst in der zweiten Hälfte der letzten Spalte kommt Kollhoffs Befreiungsschlag gegen Scharouns „Zangengriff aus dem Jenseits“: die Bebauung des Tempelhofer (Flug)Feldes soll es sein!
Wo Scharoun nur ein Mal und nur am Rande mit einem Ehrenmal vertreten war…
Widmen wir uns dem Faktischen.

Es stimmt wohl, daß Hans Bernhard Reichow bereits während des Krieges an seiner „Organischen Stadtbaukunst“ arbeitete und auch als Referent am Speers „Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte“ auftrat — falsch ist dagegen, den Speer´schen Wiederaufbau als „Stadtlandschaft in einfacher Bauweise“ zu umreißen.

Wahr ist auch, daß die Planer schon vor dem Kriege vielfach von der „Auflockerung“ der Altbebauung sprachen, je nach Geschmackrichtung von „planmäßig“ bis „mechanisch“ — unwahr dagegen, daß das „Planungskollektiv unter Scharoun“ (sic!) „von einer … Stadt aus[ging], die bis in den Grund auszuradieren sei, um auf bereinigter Fläche die neue Stadt zu errichten“.
Von einer Vergesellschaftung des Bodens gingen sie sehr wohl aus. Das taten damals alle.

Nutzbarmachen der vorhandenen Bestände war die Devise der Stunde. Für Steinverwendung und dergleichen wurden unter Baustadtrat Scharoun gar besondere Bauregeln ausgegeben. Vorhanden war auch die Spee, von den Städtebauern der Krone und des Altars geflissentlich ignoriert: die ”Bandstadt im Urstromtal“ kam, weil sie nicht hätte nichtkommen können! Wobei die Bänderung, siehe oben, auch nicht rigide nach „Schema F“ aussieht…
Keiner mußte überzeugt werden ob der Versorgungs-Infrastruktur — die Kollektivplaner berichteten selbst davon, in zahllosen Zeitungs- und Radiobeiträgen. Sie schrieben derlei auch im „Generalaufbauplan“ fort.

Luise Seitz: „Abbildung … zeigt, wie aus dem alten Straßennetz zwei voneinander getrennte Verkehrssysteme entstehen, schwarz gekennzeichnet sind die neuen Straßen für den Kraftwagenverkehr, punktiert die Fußgängerwege… Das unterirdische Leitungsnetz bleibt unangetastet und voll in Betrieb.“

Statt „eingestreut[er] Spolien“ gab es im Kollektivplan rote Linien, an den Linden und am Schloß Charlottenburg. Einmal an der in ihren Grundzügen tatsächlich Barock gewesenen Charlottenburger Altstadt, ein anderes Mal lose: in der Friedrichstadt war der Zerstörungsgrad zu hoch, um dahinter Baumasse anzustricheln. Und was die „dominierende Platzkonfiguration der Barockstadt“ anbetrifft… ausgerechnet Scharoun und sein Schüler Bodo Fleischer im 1962er-Wettbewerb setzten sich als einzige für den Erhalt jenes „Rondells„. Scharouns Wohn-und-Büro-Doppelring gab dem auf Beschauen und nicht zum Betreten bepflanzten „Schmuckplatz“ nach dem Ableben des Wochenmarktes am Stadttor erstmals einen Sinn!
Die Ausführung blieb hinter dem Entwurf zurück, die Gründe sind bekannt.

Der Neuaufbau der Frankfurter Allee begann tatsächlich am Stalins Geburtstag — allerdings nicht mit den „Laubenganghäuser[n] Hans Scharouns“, sondern mit jenen von Ludmilla Herzenstein. Scharoun konnte folglich nichts „widerwillig parallel zur Allee“ stellen: es waren nicht seine, er plante welche auf dem zur Allee führenden Weg, und kam nicht zur Ausführung. Wobei das „Ende … seine[r] Tätigkeit im Osten Berlins“ nicht etwa „Ende 1950“ sondern bereits in der ersten Jahreshälfte stattfand.

Von einem Augenzeugen wie Kollhoff wäre auch zu erwarten, bei Nennung der IBA-1987 „im Westen“, wo die „Internationalität der Akteure … vorwiegend am spektakulären Objekt interessiert [war] und nicht an der Komplexität des Berliner Mietshauses“, auch die vorausgegangenen „Komplexen Umgestaltungen“ im Osten zu nennen, am Arkonaplatz, am Kollwitzplatz, an der Sophienstraße usw. Oder haftet denen derselbe Makel an?
Der Satz vom „Berliner Wohnhaus“, das „die Kombination mit beruflicher Arbeit zu[lasse] und ist als Eigentum oder zur Miete und auch öffentlich gefördert zu haben“ sei, hätte übrigens auch von Scharoun stammen können. Gerade am zitierten Olivaer Platz wäre ein Beispiel für seine blockschließende urbane Wohn-Büro-und-Handel-Architektur zu finden — im Haus „Olivia„.

Doch wer statt alldem ein Platz ein „Park“ nennt, nur um sich sodann darüber aufzuregen, daß es „kein richtiger Park“ sei, fordert geradezu heraus, seinen Benjamin-Platz auf der anderen Kurfürstendamm-Seite unter die Lupe zu nehmen. Siehe da, es ist ja gar kein Platz! Eine richtige Straße ist das, nicht bloß „straßenartig“. Eine kurze, vom umketteten Brunnen zum (großgerenderten) Baum, der Anschluß an die Sybelstraße bleibt verpaßt — wohl der Rechen-Symmetrie wegen. Über je 26 tuskische Säulen und wieder ohne Bezug — ein Großtafel-Einerlei, dem Platz der Akademie scheinbar nacheifernd (Kollektiv Manfred Prasser, 1976-1988): an allen Ecken Berlins sieht man inzwischen diese nicht enden wollende Fensterraster im Grau. Vielleicht mag sie ja jemand — wo aber sind die bemängelten „gebrochenen Geraden“ und „abgeschnittene[n] Rechtecke“?..

Über die stadträumlichen Qualitäten der Tempelhöfer Hügelkuppe kann man jeglicher Meinung sein — doch beim Prädikat des „merkwürdige[n], um nicht zu sagen perverse[n] Demokratieverständnis[ses]“ wird es konfus. Beschrieben werden damit die neu eingerichteten Bürgerwerkstätten, doch nicht weil sie gegen das geltende, auf einer Volksabstimmung füßende Tempelhofer-Feld-Nichtbau-Gesetz verstößen: Kollhoff will dem Planer den Vortritt lassen, bevor der Bauherr (der Dilettant) sich entschieden hat, ob er sich umentscheiden will. Denn es steht „eine große Chance“ ins Haus, „auf das wir heute so stolz sein könnten wie die Pariser auf ihre Champs-Elysees und die New Yorker auf ihren Central Park“.
Bauen ohne Bauherr? Allein des Vergleiches wegen?
Geschätzter Kollege, bitte ein Schritt zurück!
Die Bebauung von Champs-Elysees ist, bis auf die Endpunkte, architektonisch nicht wirklich herausragend. Boulevards „nur für Touristen“ haben wir schon. Und statt auf das Central Park sind die Berliner auf den Tiergarten und eben auf die Tempelhofer Freiheit stolz.
Auch wenn einige den Höhenflug vermissen.

Scharoun auf BerlinHistory-App

Ein Bericht zum Junggesellenhaus am Kaiserdamm und eine Kurzbiographie Hans Scharouns sind auf BerlinHistory-App veröffentlicht worden.

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