Geschichte

Die Scharoun-Gesellschaft wurde 1984 auf Initiative des Architekten Dr. Edgar Wisniewski in Berlin gegründet.

Hier sehen Sie ein Dokument mit den Unterschriften der Gründungsmitglieder.


Zum ersten Vorsitzenden der Gesellschaft wurde 1985 Professor für Gartengeschichte und Direktor der staatlichen Museen Dr. Martin Sperlich, seine Stellvertreterin war Dr. Hedwig Wingler (Museum Charlottenburg), mit den Architekten Henry Ziemendorf als Schriftführer und Gerd Zabre als Schatzmeister.
1990-1991 werden Dr. Edgar Wisniewski selbst zum 1. Vorsitzenden und Gottfried Götzenauer zum 2. Vorsitzenden.
2008 werden Architekt Johannes Wirthgen zum 1. Vorsitzenden gewählt und Sabine Gundlach zur 2. Vorsitzenden.
Seit 2009 ist Architekt und Dozent Dr. Rainer Köllner 1. Vorsitzender, mit den 2. Vorsitzenden Georg Taschner (bis 2016), Andrea Schmidt (bis 2023) und Dimitri Suchin.


Die Geschichte der Scharoun-Gesellschaft

(Text von Uwe Hameyer)

1984, assoziativ mit dem Buch gleichen Namens von George Orwell verbunden, war ein spannungsgeladenes Jahr mit heftigen Kontroversen um machtpolitisch motivierte Tendenzen in der Berliner Stadtentwicklung und Architektur – Stadtlandschaft versus Leitbild der traditionellen Stadt – Moderne versus Postmoderne. Das bedeutendste und unvollendete Architektur-Ensemble Scharouns an der Potsdamer Strasse und dem Kemperplatz, das 20 Jahre vorher als Wettbewerbsergebnis für die neue Staatsbibliothek formuliert wurde und seitdem als „Kulturforum“ in den Berliner Wortschatz aufgenommen wurde, drohte entstellt und verstümmelt zu werden.

Wie kam es dazu?

Die Bebauung des Kulturforums war 1984 weit fortgeschritten und planerisch abgeschlossen. 1960 – 63 wurde die Philharmonie gebaut. Es folgte 1963 – 68 der Bau der Galerie des 20. Jahrhunderts (Neue Nationalgalerie). 1967 – 1976 Bau der neuen Staatsbibliothek (Stabi), deren vorangegangener Wettbewerb erstmals ein in sich geschlossenes städtebauliches Konzept für das Forum formulierte. Hier wurden die Grundlagen für den Kammermusiksaal, das im Programm geforderte Künstler-Gästehaus und die westlich anschließenden Staatlichen Museen definiert. 1978 – 85 wurde das Kunstgewerbemuseum errichtet, 1979 – 82 das Musikinstrumentenmuseum. 1980 wurde ein weiteres Rahmenkonzept (Wisniewski / Nagel) mit weiteren Bauvorschlägen (audiovisuelles Zentrum) entwickelt. 1979 wurde die „Bauausstellung Berlin GmbH“ gegründet, die als IBA ’84 zunächst die Innenstadt als Wohnort zu kultivieren begann, was allerdings erst 1987 zum vorläufigen Abschluss kam. Diese IBA veranstaltete 1981 ein Hearing zu ihren Planungsgebieten unter Einbeziehung des Kulturforums. Der Bau des Kammermusiksaales 1984 – 87 kam nach schwierigen Widerständen nur durch ein Machtwort des Bürgermeisters Weizsäcker zustande, der den Saal zur 750-Jahrfeier Berlin 1987 einweihen wollte.

1983 organisierte die IBA ein internationales Gutachterverfahren „Kulturforum“ und vergab den 1. Preis an Hans Hollein. Dessen Entwurf war ein Affront gegen die feinsinnigen städtebaulichen und architektonischen Strukturen Scharouns. Auf den Restflächen eines ca. 500 m langen Kanalsystems verstreut Hollein seine Klötze aus dem Baukasten der Architekturgeschichte wie ein wütendes Kind. Einen Pavillon (16x16x19 m als Betonklotz), einen Campanile (Hochhaus), eine Stadtvilla (Mehrfamilienhaus), das Haus der Kirche mit der Dachhöhe der Nationalgalerie und schließlich eine Stadtloggia – ein gebogenes Kolonnadensystem von 99 m Länge, 4,75 m Tiefe und 12 m Höhe mit der Behauptung, damit die Inhalte und Funktionen des Scharounschen Gästehauses abzudecken. Der überwiegende Teil der Fachöffentlichkeit fragte sich verwundert, was wohl in den Köpfen der Verantwortlichen bei IBA, Politik und Bauverwaltung vor sich ging, die die Kolonnaden sogar vor Ort als Kulisse in wahrer Größe probeweise errichteten. Die auf diese Planung zugeschnittenen Eigentumsverhältnisse und der 1986 aufgestellte Bebauungsplan II-126 sind bis heute (2016) bindend und Grundlage, obwohl 1989/90 auf die Weiterbearbeitung und Realisierung verzichtet wurde. Eine Vorstufe zu George Orwells Visionen – staatliche Meinungs- und Durchsetzungshoheit, die glücklicherweise am Widerstand der Öffentlichkeit scheiterte. Damit war allerdings die Gefahr der Überformung des Wettbewerbskonzeptes von 1964 nicht gebannt.

Vor diesem Hintergrund bildete sich ein Gremium aus Fachleuten und Scharouns Freundeskreis, das eine Gesellschaft gründete mit dem Ziel, sich für die Vollendung des Kulturforums im Sinne Scharouns einzusetzen. Am 27. Mai 1984 trafen sich Künstler, Musikliebhaber, Architekten u.a., um die Scharoun-Gesellschaft aus der Taufe zu heben. Beteiligt waren z.B. Bernhard Heiliger, Alexander Camaro, Wieland Schmidt, Hans-Joachim Arndt, Gerty Herzog-Blacher, Edgar Wisniewski sowie Martin Sperlich und Henry Ziemendorf – letztere bildeten den ersten Vorstand der Gesellschaft.

Im Text der Gründungsurkunde werden folgende Ziele 12 Jahre nach Scharouns Tod formuliert:

Ziel des Vereins ist es, das Lebenswerk von Scharoun durch Förderung der Erforschung seines Nachlasses, durch Sorge für die Erhaltung und Vollendung seiner Bauten zu pflegen und zu bewahren und durch Darstellung, Forschung und Lehre, sowie durch Zusammenarbeit mit den in Betracht kommenden Institutionen zu verbreiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Diese Ziele wurden zum Fundament aller Aktivitäten der Scharoun-Gesellschaft sowohl beim Kampf um die Erhaltung der des städtebaulichen Konzeptes des Kulturforums wie auch bei der Erhaltung und Pflege seiner zahlreichen weiteren Bauten.

Dabei haben z.B. bei der Aktion „Rettet den Kammermusiksaal“ 45.000 Unterschriften bei Informationsveranstaltungen beigetragen, die politische Entscheidung zur Realisierung zu treffen. Bei einer weiteren Aktion „Rettet Scharouns Kulturforum“ wurde die Petition mit 36.000 Unterschriften von Musikfreunden und der Fachöffentlichkeit unterstützt.

Durch Führungen, Vorträge, Salons, Pressearbeit und Lehrveranstaltungen hat die Scharoun-Gesellschaft seither über die organhafte Architektur Hans Scharouns und Edgar Wisniewskis informiert und deren Erbe verteidigt. Dies wird sie auch in Zukunft tun.

Detaillierte Informationen sind unter „Aktivitäten“ zu finden.