OstWestOst

Auf den U-Bahnhöfen „Schillingstraße“ und „Weberwiese“ eröffnete die Ausstellung „OST WEST OST“. Modernen Großaufnahmen auf den Bahnsteigen und historische in den Eingangsbereichen erläutern dem Passant die Bauten der Karl-Marx-Allee. Weitergehende Ausführungen verlinkte das Landesdenkmalamt auf einer gesondert eingerichteten Homepage.

An und für sich, ein äußerst löbliches Unterfangen. Ein doppelt nützliches sogar, denn die sonst so leeren Verteilerhallen werden auf diese Weise (hoffentlich) vor Vermüllung und Verunstaltung geschützt. Doch leider nicht ganz ohne Makel.
Wir sahen uns verpflichtet, die Autoren darauf hinzuweisen und Korrekturen vorzuschlagen. Da die Reaktion ausgeblieben, veröffentlichen wir die Kritikpunkte nachstehend.

Bereits der erste Film wird falsch überschrieben, „Ein Plan für ganz Berlin: Hans Scharouns Kollektivplan“:

  • „…nur Scharoun hat noch Feuer“. Klingend wie Gropius´ Satz auch sein mag, gefallen ist er erst nach seinem Berlin-Besuch im August 1947. Da war Scharoun bereits fast ein Jahr aus dem Amt und der „Kollektivplan“ Geschichte.
  • „Scharouns Kollektivplan“. Gegen die Alleinurheberschafts-Zuweisung oder auch die Hervorhebung Scharouns sprachen sich bereits die Teilnehmer des Kollektivs aus; wir hatten wiederholt darauf hinzuweisen. Der spätere Sprachgebrauch mag anders geworden sein, zur Fertigstellung der ersten Neubauten war auch hier vom „Kollektiv Herzenstein“ die Rede — doch rückdatieren läßt sich diese Nennungsweise nicht.
  • „Grund und Boden in öffentlicher Hand“. Sie waren, so die Erläuterung, „nur in der sowjetischen Zone politisch gewollt“ gewesen. Man fragt sich nur, wie die großflächigen westberliner Projekte, etwa das Hansa-Viertel im Tiergarten durchzusetzen waren? Siehen nicht auch sie auf vergesellschaftlichen Grund? Wie die Ernst-Reuter-Siedlung in Wedding und das Bayrische Viertel in Rufweite des Schöneberger Rathauses? Alles Sowjetagenten am Werk?
  • „…ignoriert das bestehende unterirdische Leitungssystem“. In der sonst vielzitierten Ausstellung „Berlin plant“ hing ein Tafelwerk CI/2, bearbeitet von Professor Dr.Dr. Ernst Randzio. Er war kein Mitglied im Kollektiv, dafür aber, und das seit Oktober 1945, Leiter des extra eingerichteten Ausschusses „Unterirdisches Bauen“. Darin ermittelte er, von Scharoun beauftragt, die Friedenswerte und die Schadensstände von mehreren beispielhaften Quartieren. Die hohen Zahlen Randzios formten den Kollektivplan genau wie die statistischen Untersuchungen Herzensteins — das Ignorieren sieht normalerweise irgendwie anders aus…
    Der Bedeutung wegen wiederholen wir diese Tafel nachstehend.

Im weiteren Film, „Wohnzelle, Heimstätte, Herzenstein: Der Kollektivplan wird real“, steigert man sich zu regelrechten Diffamierungen:

  • „…Hans Scharoun wird … abgelöst, dafür erhält er eine Professur an der Technischen Universität“. Ein Handel also: Scharoun verliert einen Posten und wird (von wem?) mit einem anderen entschädigt. Wahr ist dagegen, daß der Stadtbaurat Scharoun die Neugründung der Technischen Universität aus den Trümmern der Technischen Hochschule erst ermöglichte und darin ein Institut für Städtebau schuf. Angesichts der Amtspflichten lehnte er es allerdings ab, etwas anderes als Lehraufträge zu übernehmen; die ihm zustehende Lehrkanzel hatte zu warten.
  • „…1949 … Die Architektin Ludmilla Herzenstein wechselt aus dem Planungskollektiv und übernimmt Planung und Bauleitung der Wohnzelle.“ Das 1945er Kollektiv bestand seit 1947 nicht mehr, auch wenn die Mitglieder sich im Institut für Bauwesen wiederfanden. Die dortige Gruppe machte mehrere personnelle und institutionelle Umfirmierungen mit, vom Austritt einer einer einzelnen leitenden Person aus dem Planungskollektiv kann keine Rede sein.


Vielfach liest man von der „Bauhaus-Architektur“, doch die Presse beläßt es dabei nicht. Uwe Rada schreibt über die Ausstellung im „Kalten Krieg der Architekten„: „…der Stadtbaurat des Magistrats Hans Scharoun [hat] im Auftrag der sowjetischen Stadtkommandantur einen sogenannten Kollektivplan erarbeitet.“ Die Einzahl läßt einen denken, es war die Tat eines Einzelnen, und daß die „Kollektiv“-Silbe ein Hinweis auf Massung sei, kollektives Wohnen etwa — dem war mitnichten so. Kleine aber durchweg eigenständige Wohnungen unterschiedlichsten Zuschnitts waren geplant. Auch schrieb die Sowjet-Kommandatur 1945 kein Plan vor, in Kollektivform oder irgendwie anders; stadtweite sektorenübergreifende Erntwicklungspläne waren von den Allierten explizit verboten.

Das Zustandekommen des Kollektivs und die Ausstellung „Berlin plant“ waren, so man will, eine Emanzipierungs- und Selbstermächtigungs-Geste nicht minder stark als der spätere Teppichtritt Adenauers! Darüber schweigt die Ausstellung jedoch, und die Kritiker sowieso.

Hans Scharoun im Fokus

Am 12. November 2025 laden das Baukulturverein Osnabrück und die Scharoun-Gesellschaft in die Lagerhalle nach Osnabrück ein. Dort findet die dritte Vorführung des neu restaurierten „Hans Scharoun“-Filmes von George Sluizer statt. Davor und danach laufen zwei weitere selten gezeigte Streifen: „Probleme des modernen Städtebaues am Beispiel Berlin-Siemensstadt“ der Landesbildstelle Berlin und die „Imaginäre Architektur“ von Hartmut Bitomsky.
Zu besserer Einordnung aller drei Filme, der Umstände ihrer Entstehung und des Nachlebens davon spricht der 2. Vorsitzende der Scharoun-Gesellschaft Dimitri Suchin.
Mit anschließender Diskussion.

Ort: Lagerhalle Osnabrück, Rolandsmauer 26, 49074 Osnabrück
Zeit: 12. November 2025, 19:00 Uhr
Karten an der Abendkasse.

Nachruf zum Tode von Professor Hinrich Baller

Wie erst jetzt bekannt wurde, starb am 23. Juli Prof. Hinrich Baller mit 89 Jahren. Er hinterlässt ein außergewöhnliches architektonisches Werk, das ca. 200 Gebäude umfasst.

Baller gilt als einer der eigenwilligsten Architekten der vergangenen Jahrzehnte mit einer Skepsis gegenüber dem rechten Winkel. Seine Vorliebe galt organischen Formen und einer Architektur, die menschenfreundlich und farbig ist. Durch das architektonische Werk mit seiner organischen Prägung zieht sich erkennbar auch ein roter Faden des Experimentierens.

Hinrich Baller, 1936 in Stargard geboren, besuchte zunächst nach seinem Abitur eine Musikschule in Berlin und studierte dann an der Technischen Universität Berlin, dort erwarb er seinen Diplomabschluss.

Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Bernhard Hermkes, Professor für Baukonstruktion und Industriebau an der Technischen Universität Berlin. Dort lernte er seine erste Frau Inken Baller kennen, mit der er bis 1989 im Rahmen eines eigenen Büros zusammenarbeitete. Es entstanden ab 1966 zahlreiche markante Wohnbauten, Kitas und öffentliche Gebäude.

Von 1972 bis 2001 war Hinrich Baller Professor für Architektur an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg, lebte aber weiter in Berlin. Ab den 1990er Jahren arbeitete er mit Doris Piroth zusammen, die Heirat erfolgte 1995.

Nach seiner Emeritierung war Baller nicht nur architektonisch-planerisch tätig, sondern auch als Referent. Er begleitete auch Lehrveranstaltungen, führte auch Gruppen- und Einzelgespräche durch. Herr Baller konnte dabei durch seine besondere Art der Wissensvermittlung überzeugend architektonische Zusammenhänge sehr gut darstellen. Dies geschah im Rahmen von Seminaren und Vorträgen, auch in Gruppen- und Einzelgesprächen, die nicht nur im universitären Umfeld, sondern auch in seinen geplanten Gebäuden und in seiner privaten Umgebung stattfanden.

Für ihr gemeinsames Werk wurden Inken und Hinrich Baller 2023 mit dem renommierten Großen BDA-Preis ausgezeichnet.

Die Jury würdigt das gemeinsame Werk von Inken Baller und Hinrich Baller u. a. als „eigenständige und ökologisch geprägte Entwurfshaltung, die unter den Bedingungen des sozialen Wohnungsbaus zu erstaunlichen Lösungen jenseits des Mainstreams führte. (…) Als experimentelle Reallabore mussten diese Bauten gelegentlich an die Grenzen der anerkannten Regeln der Technik stoßen. Mit zeitlichem Abstand lässt sich diese Architektur aber aufgrund ihrer Haltung als heute noch vorbildlich begreifen: aufmüpfig, fröhlich, sozial und von eigenwilliger Schönheit.“

Die Scharoun-Gesellschaft verliert mit dem Tode Hinrich Ballers einen fachlichen Ratgeber und jahrzehntelangen Begleiter. Seiner Familie gilt unser herzliches Beileid.

Dr.-Ing. Rainer Köllner
Vorsitzender der Scharoun-Gesellschaft e. V

MehrWert: Tag des offenen Denkmals 2025

Bundesweit stehen die Tage des offenen Denkmals diesmal unter dem Motto „Wert-voll: unbezahlbar oder unersetzlich?“ Berlin ergänzt: “Denkmalpflege. MehrWert für Berlin”.

Wir denken nach: ein Bau spiegelt die getätigte Investition wieder, stellt ein Geldwert dar. Ein Bau kann ein Symbolwert haben, mit der Zeit auch ein Erinnerungswert. Seine Erhebung zum Denkmal kann sich wertsteigernd oder wertvernichtend auswirken, objektiv oder subjektiv. Wie stand Hans Scharoun zu diesem Phänomen?
Wie teuer waren seine Bauten?
Wer zahlte?

Inzwischen schon traditionell öffnen sich am 13. und 14. September 2024 die Türen des Ateliers Hans und Margit Scharouns. Zum Auftakt zeigen wir am Samstag und am Sonntag um 10:00 Uhr den Hartmut-Bitomsky-Film „Imaginäre Architektur“ (1993). Forscher kommen zu Wort und auch Bauten, die so nicht mehr zu besichtigen sind. Danach folgt stündlich um 12:00, 13:00, 14:00 und 15:00 ein Scharoun-O-Ton zu den „Problemen des modernen Städtebaues“. Im Anschluß haben Sie jeweils die Möglichkeit, das Atelier zu erkunden und den Fragen des „ScharouNIE“-Lexikons der populären Scharoun-Irrtümer nachzugehen.

Auch in diesem Jahr ist das Atelier ausschließlich nach Anmeldung zu besichtigen. Es gilt die Reihenfolge der Anmeldung. Nach Möglichkeit werden wir versuchen, Besucher ohne Anmeldung mit zu berücksichtigen.
Treffpunkt vor dem Hause. Der Zugang zum Atelier im 8.OG ist nicht behindertengerecht!


12. September 2025: wir sind ausgebucht, es werden keine Anmeldungen mehr angenommen.

Goldgrube M20

Gleich mehrere Medien (Berliner Morgenpost, Deutschlandfunk, Die Welt, Entwicklungsstadt, t-online) berichten mit Verweis auf den Haushaltsausschuß des Bundestages, im Neubau des „berlin modern“ werden statt ursprünglich bewilligten 200 Millionen Euro nunmehr 526,5 Millionen Euro versenkt. In Griffnähe sind schon die 600 Millionen, die von unabhängigen Stellen bereits frühzeitig als weit realistischerer Wert angesehen wurden. Am Richtfest im Oktober 2025 wird noch festgehalten, aber die Gesamtkonstruktion soll erst gegen Ende 2028 oder sogar später bereit sein, was die Publikumseröffnung erst 2030 erwarten läßt.

Man spricht von der „Komplexität“ der seinerzeit von den Autoren so bezeichneten „Urhütte“. Von bereits erfolgten „Gegenmaßnahmen“, was üblicherweise Streichungen bedeutet: wie wären wohl die Kosten und Fristen ohne diese in die Höhe (wahlweise Tiefe) geschnellt? Welche notwendigen Teile sind ihnen diesmal geopfert worden? Bei einer der letzten Sparrunden war es die kleine Nebensächlichkeit des Verbindungstunnels zur Nationalgalerie.

Der „Welt“ wird zuzustimmen sein: die Bauverzögerung beschert dem Museumsteam unerwartet Zeit, ein Bespielungskonzept auszutüfteln, welches ihren eigenen und den Leihgeber-Ansprüchen gerecht wird. Erinnert sei an das Jüdische Museum: fertiggestellt 1999, ersteröffnet 2001, geschlossen 2018, wiedereröffnet 2021. Und dieses hatte wenigstens Architektur!