Himmelsschaft oder Missgeburt?
„der Architekt“, ein Blatt des Bundes deutscher Architekten, stellt sich die Titelfrage in seiner „tatort“-Kolumne. Man solle anhand von Hinweisen enträtseln, was für ein Bauwerk denn gemeint war. So schreibt Andreas Denk:
„…sein Grundriss … resultiert aus drei übereinander gelegten und gegeneinander verdrehten Fünfecken. In der Mitte des Raums, der sich aus diesem Plan entwickelt, liegt ein Podium, das ringsum mit gestaffelten, in der Höhe und in der Fläche versetzten Reihensitzgelegenheiten umgeben ist. Der Architekt des epochalen Bauwerks verstand den Spielort des Orchesters als „Tal“…
Die zeltartige Decke über dem Innenraum, die sich in einer in mehreren Schwüngen anlaufenden Dachlandschaft auch außen abbildet, betrachtete er als „Himmelsschaft“ mit frei hängenden Leuchten als Sterne…
Das stimmungsvolle Foyer des Gebäudes bietet einer Vielzahl von scheinbar willkürlich gesetzten Treppen, Betonstützen und Galerien Raum, die gewissermaßen das Strömen der Besucher aus allen Richtungen in die arkadische Architekturlandschaft, auf das gelobte „Tal“ versinnbildlichen … auf bestimmte, nämlich anthropologische Weise funktionalistische Anordnung der Besucherströme…
Der berühmte Dirigent… lobte die Konzeption, weil sie „die restlose Konzentration der Zuhörer auf das Musikgeschehen“ ermögliche. Einige… urteilten anders. Einer bezeichnete das Haus als „Missgeburt“, ein anderer sagte sogar ein Gastspiel ab, weil er es nicht ertragen wollte, dass ihm „Hunderte von Zuhörern ins Gesicht schauen“.
…um die Akustik gab es Diskussionen, weil sie unmittelbar vor dem Eröffnungskonzert noch unzulänglich erschien. Ein eigens hinzugezogener Spezialist hatte zwar mit Modellen im Maßstab 1:9 gearbeitet… Verbesserungen erbrachten aber erst eine Erhöhung des Podiums und frei eingehängte Schallsegel…
Aus Geldmangel war das Gebäude zunächst ockerfarben verputzt worden. Erst nach dem Tod seines Entwerfers erhielt es die von ihm erhoffte goldfarben eloxierte Aluminiumplattenhülle…
Wird man anhand dieser Hinweise finden können, „Wie heißt das Gebäude, und wer hat es wann entworfen?“
(3) Kommentare zum Beitrag “Himmelsschaft oder Missgeburt?”
- Dimitri Suchin 15.06.2016 06:00
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Lukas Raßloff 15.12.2020 19:46
Guten Tag Herr Suchin,
sie schrieben, das der Grundriss nicht aus gegeneinander verdrehten Fünfecken resultiere… Aber woraus denn dann? Denn die drei Pentagramme sind doch der Grundriss.
Eine weitere Frage habe ich zum Tragwerk der Philharmonie: Wenn Scharoun das Gebäude ‚von Innen heraus‘, also hauptsächlich unter akustischen Gesichtspunkten entworfen hat, wie hat sich das auf das Tragwerk ausgewirkt bzw zu welchen ‚Konflikten‘ mit dem Tragverhalten des Bauwerks kam es aufgrund dessen?Beste Grüße
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admin 16.12.2020 14:36
Diese Fragen sind bereits im Beitrag zur Philharmonie erläutert.
Sowohl zum Plan – sollte es Ihnen gelingen, die Logo-Pentagramme so zu verdrehen, daß sie den Grundriß ergeben, bitte ich Sie, sich mit Anschrift bei uns zu melden, zwecks Versenden eines großen Ehrenpreises –
als auch zu den Triebfedern der Entwurfsgestaltung.
Von Konflikten ist in diesem Zusammenhange nichts bekannt.
Herr Denk!
Ich habe zu gratulieren.
Selten könnte man soviel Unwahres über ein BDA-Mitglied und Träger des Großen BDA-Preises lesen, als in Ihrer letzten „tatort“-Glosse.
Weltweit kopiert, über Japan nach USA und nach Deutschland retour, doch nie erreicht; zur Erbauungszeit „der einzige demokratische Bau Deutschlands“ und immer noch recht einsam in dieser Relation – „eine Mißgeburt“?! Gewiß, auch solche Stimmen gab es – aber verdienen sie einen Platz in der Titelzeile? Dem „eine besondere Rolle in der Nachkriegsgeschichte“ und „Sehenswürdigkeit“ entgegenzustellen hilft wenig, das Wort ist gesagt. Und dann noch der Rest…
Andere hätten ein Unwissen-Vorteil, so etwas zu schreiben – aber im Verlautbarungsorgan des BDA wird solcherlei zu schweren Vorwürfen, zur Unterstellung des gröbsten Unkönnens. Eine neue Linie? – nimmt man dazu, wie entschieden von jenem BDA es jüngst abgelehnt wurde, auch nur ein Laut für das bedrohte Bauerbe Scharouns und seinesgleichen zu geben, was einem Zerstörung-Freibrief gleichkommt, wird die Vermutung zur zwingenden Feststellung: ja, es ist die neue Linie!
Schön und fern sind die Zeiten, als man im BDA auf die Sittlichkeit des kollegialen Umgangs zurecht stolz war (Fall Kassel-Theater)…