Erfolg im neunten Anlauf

Künstlich aufgewühlte Wildnis Schmuckrasen mit Eckhecken Aufmarschplatz Piazza mit Platanencafé Gondelkanal und Kolonnaden Brunnenschale Kiefernraster umbordelte Giraffenflecken: was hat es nicht schon alles an Ideen für den Straßen- und Platzraum um die Matthäikirche gegeben? Die obigen acht sind da Marksteine nur. Die Straßennamen wechselten wie die Geometrie, die Umsetzung blieb bruchstückhaft, der Erfolg in weiter Ferne bis im Sommer 2023 ein Weg gefunden ward, den gordischen Knoten mit einer geradezu unberlinischen Leichtigkeit zu schneiden. Möge der „temporären“ Lösung nur langer Bestand beschieden sein!

Vater Zille münzte den Spruch, mit einer Wohnung könne man einen Menschen erschlagen wie mit einer Axt. George Sand meinte, „Ärzte begraben ihre Fehler, Architekten pflanzen Efeu“. Die Stadtplaner wiederum sind dem Glauben verfallen, man braucht nur den Verkehr herauszunehmen, hie und da ein Bißchen Gras streuen – schon blüht allüberall der Flaneur auf. Doch können auch Baum und Grün sowohl die Retter, als auch Vernichter, oder einfach nur nichtsnutzig sein – Kulturforum sei Zeuge.

Da wäre zum Beispiel der Baumraster von Valentien und Valentien, als Kiefern geplant, als Götterbäumchen in den Schotter gesteckt – eine echte Baumtortur. Die sich scharounesk gebärdenden Rasenwinkel im überbreiten Philharmonie-Umgang, erfolgreich im Verzwergen der Philharmonie. Und war nicht dieselbe Riege auch für die Verkrüppelung der Potsdamer Straße zuständig?

Doch schon die ersten 80 auf der Piazzetta versetzten Kübel offenbaren ein größeres Grün-Können als jene je gehabt. Ausgerechnet in einem Kulturforum-Bereich, dem man ein Aufblühen gar nicht zugetraut hatte! Nur der Abriß, so der allgemeine Tenor der letzten Jahre, bringe den Ausweg im Umgang mit dieser ungelenken Schräge und ihren Aufbau-Torsi – doch nun treppen sich hier hängende Gärten auf, und gleiten hinab wie auf einem fliegenden Teppich. Der Zickzack des denkmalgeschützten Belages mußte dazu nicht an einer einzigen Stelle aufgebrochen werden!

Vom kürzlich geschaffenen Stadtbalkon schwappt die neue Linie zum „Scharoun-Platz“ über und richtet auch dort die Maßtäbe wieder richtig. Sofort bevölkerten die Stadtmaler den Hain, schneller gar als die eigentlich anvisierten Vögel.

Noch läßt die letzte Ausbaustufe auf dem Mattäikirchplatz auf sich warten, doch der Erfolg der ersten Pflanzungen ist dergestalt, daß man nur wünschen will, sie bliebe nicht die letzte. Es gäbe noch soviel zum Einnehmen hier!
Warum nicht die vertrockneten Rasenflächen vor dem einstigen Zeitungsfoyer der Staatsbibliothek, oder die Park- und Bauhofflächen derselben in dieser Manier beleben? Warum nicht das Nationalgalerie-Plateau und gar den Piano-See? Schimmend wie zuletzt in Rotterdam? Mit Stegen ähnlich den neuen Sitzbänken? Zerstörungsfrei, strapazierfähig und anpaßbar – kann es was besseres geben? Berlin hatte dereinst die sommerlichen „Temporären Gärten“, erst jährlich wiederkehrend, dann mit längeren Pausen, und irgendwann ausgesetzt – hier auf dem Kulturforum entstünden sie wie von alleine neu, ja ein könnte das uns ewig entglittene alles verbindende Motiv des Forums sein! Die heute entstehende Formation hätte wie auch vorgesehen bis 2024 Bestand, dann hätte wer anders seine zwei Jahre Zeit…

Am Konzept erscheint – nebst der Selbstbeschränkung auf 3 „Inseln“ – nur die Teil fraglich, die Sigismundstraße zwischen der Mattäikirche und der Potsdamer Straße wieder aufzuheben und zu einem „Skulpturengarten“ zu erklären. Hat der Mies-Bau nicht bereits schon einen? Umwallt wie die vorgeschlagene Neuauflage, mit dem Nationalgalerie-Sockel zur einen und der Stirnseite ihres Erweiterungsbaues zur anderen Seite? Oder richtet man sich da bereits auf die Besucherstöme ein, nachdem die unterirdisch geplante Verbindung beider Museumsteile wohl endgültig begraben wurde?

Da wäre noch eine Durcharbeitung vonnöten. Eines ist aber bereits erreicht: ohne auch nur im Ansatz das Formale eines Scharoun oder Mattern zu imitieren, schufen Klaus Biesenbach, Véronique Faucheur und Marc Pouzol (Atelier „le balto“) eine Anlage „zwangsläufig und zwangsfrei“.
Genau wie die Meister es gewollt.

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